Die jüngste Resolution des Sicherheitsrats zur Westsahara / marokkanischen Sahara bekräftigt den marokkanischen Autonomievorschlag als Grundlage künftiger Verhandlungen – und vertieft die Spannungen zwischen Rabat und Algier.
New York – Am 31. Oktober 2025 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) mit 11 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen (China, Russland, Pakistan) die Resolution 2797 (2025) verabschiedet. Damit wird das Mandat der UN-Mission für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) um ein Jahr verlängert – und der seit 2007 bestehende marokkanische Autonomievorschlag ausdrücklich als Grundlage für Verhandlungen genannt. Algerien, das sich selbst als Unterstützer des sahrauischen Selbstbestimmungsrechts versteht, nahm an der Abstimmung nicht teil.
Die Resolution ruft die Konfliktparteien – Marokko, die Frente Polisario und die Nachbarstaaten (Algerien und Mauretanien) – zu „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ auf. Dabei betont der Text, dass eine „echte Autonomie unter marokkanischer Souveränität das wahrscheinlichste Ergebnis“ darstellen könne. Der UN-Generalsekretär soll binnen sechs Monaten eine strategische Überprüfung des MINURSO-Mandats vorlegen, abhängig vom Fortschritt der politischen Gespräche.
Marokko sieht internationale Unterstützung wachsen
In Rabat wird die Entscheidung als diplomatischer Erfolg gewertet. Marokkanische Regierungsstellen und regierungsnahe Medien sprechen von einem „Wendepunkt“ in der internationalen Anerkennung des Autonomieplans. Der Plan, 2007 erstmals bei den Vereinten Nationen eingereicht, sieht eine begrenzte Selbstverwaltung der Westsahara / marokkanischen Sahara unter marokkanischer Hoheit vor. Laut der marokkanischen Plattform Le360 habe die Resolution die „marokkanische Souveränität über die Westsahara unmissverständlich festgeschrieben“ und alternative Szenarien wie ein Referendum faktisch ausgeschlossen.
Auch westliche Staaten betonten ihre Unterstützung. Der US-Vertreter im Sicherheitsrat sprach von einer „historischen Abstimmung“ und bezeichnete Marokkos Plan als „einzige Grundlage für eine gerechte und dauerhafte Lösung“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bereits im Juli 2024 erklärt, dass „Autonomie unter marokkanischer Souveränität der Rahmen sei, innerhalb dessen diese Frage gelöst werden müsse“. Der französische Botschafter bei den Vereinten Nationen bekräftigte im Sicherheitsrat, dass „Gegenwart und Zukunft der Westsahara im Rahmen der marokkanischen Souveränität liegen“.
Mehrere afrikanische und lateinamerikanische Länder – darunter Sierra Leone, Panama und Somalia – äußerten ähnliche Unterstützung und forderten eine Wiederaufnahme des Dialogs unter UN-Schirmherrschaft.
Algerien reagiert empört und spricht von „Unausgewogenheit“
Algerien kritisierte den Text scharf und verweigerte die Teilnahme an der Abstimmung. Der algerische UN-Botschafter Amar Bendjama erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur APS, die Resolution „bleibe hinter den legitimen Bestrebungen des sahrauischen Volkes zurück“ und spiegele die UN-Doktrin zur Dekolonisierung nicht wider. Algerien sieht die Westsahara weiterhin als „nicht selbstverwaltetes Territorium“ und betrachtet die Frente Polisario als „einzige legitime Vertretung des sahrauischen Volkes“.
Botschafter Bendjama warf den Initiatoren – vor allem den Vereinigten Staaten (USA) – vor, den Text „zugunsten einer Konfliktpartei“ formuliert zu haben. Der Resolutionsentwurf bevorzuge eine Option – den marokkanischen Plan – und schließe andere Ansätze, insbesondere ein Referendum über die Selbstbestimmung, de facto aus. Algier sehe darin ein „Ungleichgewicht zwischen den Parteien“ und eine „Verletzung der Dekolonisierungsprinzipien der Vereinten Nationen“.
Gleichzeitig betonte der algerische Vertreter, Algerien habe „in gutem Glauben und mit konstruktivem Geist“ an den Verhandlungen teilgenommen, sehe jedoch in der verabschiedeten Resolution „eine verpasste Gelegenheit“ für eine ausgewogene Lösung.
Kritik an fehlender Balance
China, Pakistan und Russland enthielten sich bei der Abstimmung. Sie erklärten, der Text berücksichtige die Bedenken aller Ratsmitglieder nicht ausreichend. Der russische Vertreter sprach von einem „unausgewogenen Text“, der den Friedensprozess gefährden könne, und stärkte damit Algerien den Rücken, einem Land mit dem Russland verbunden ist, auch wenn Moskau das MINURSO-Mandat nicht blockieren wollte. China unterstrich, dass „eine politische Lösung der einzig richtige Ausweg“ sei und der Prozess „im Einklang mit der UN-Charta und dem Selbstbestimmungsrecht“ stehen müsse.
Humanitäre und sicherheitspolitische Dimension
Parallel zur politischen Debatte bleibt die Lage vor Ort angespannt. Der aktuelle Bericht des UN-Generalsekretärs (S/2024/707) beschreibt fortgesetzte Spannungen und niedrigintensive Gefechte zwischen der marokkanischen Armee und Einheiten der Polisario östlich und westlich der sogenannten Mauer, die die beiden Seiten trennt. Wiederholt kam es zu Luftangriffen und Raketenbeschuss, auch in der Nähe ziviler Gebiete. UN-Ermittlungen bestätigten Zwischenfälle mit Todesopfern in Smara und Bir Lahlou.
MINURSO, die Friedensmission mit rund 230 Soldaten und Beobachtern, bleibt die einzige internationale Präsenz in der Region. Sie berichtet regelmäßig über militärische Aktivitäten und die schwierigen humanitären Bedingungen in den Flüchtlingslagern nahe Tindouf (Algerien), wo etwa 80 Prozent der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind.
Historischer Kontext und diplomatische Symbolik
Die Abstimmung fällt in eine symbolträchtige Zeit: Nur wenige Tage nach dem Beschluss jährt sich am 6. November der „Grüne Marsch“, mit dem Marokko 1975 die Kontrolle über große Teile der Westsahara / marokkanische Sahara übernahm. In Rabat wird die UN-Entscheidung daher als Bestätigung der seit Jahrzehnten verfolgten Politik interpretiert, die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Für Algerien hingegen markiert sie eine weitere diplomatische Niederlage – und ein mögliches Zeichen wachsender Isolation innerhalb der internationalen Gemeinschaft.
Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres mahnte in seinem jüngsten Bericht, die fortgesetzte militärische Eskalation und das Fehlen eines vollständigen Waffenstillstands gefährdeten die Stabilität der Region. Er forderte beide Seiten auf, „ohne Vorbedingungen und mit gutem Willen“ auf eine politische Lösung hinzuarbeiten, die „eine gerechte und dauerhafte Selbstbestimmung“ ermögliche.
Neue Dynamik oder alter Stillstand?
Die Resolution 2797 (2025) könnte die Verhandlungsgrundlagen langfristig verändern. Während Marokko seine diplomatische Position gestärkt sieht, bleibt offen, ob die Polisario-Front und Algerien zu Gesprächen im Rahmen des Autonomieplans bereit sind. Die kommenden Monate – insbesondere der Bericht des Generalsekretärs zur strategischen Überprüfung von MINURSO – werden zeigen, ob die Entscheidung des Sicherheitsrats tatsächlich Bewegung in den festgefahrenen Konflikt bringt oder lediglich die Fronten weiter verhärtet.
Marokko – UN-Abstimmung über MINURSO-Mandat wegen Sudan-Krise verschoben.

