Ansprache an das Volk: Monarch sieht „entscheidenden Wendepunkt“ und signalisiert diplomatische Offensive
Rabat – König Mohammed VI. von Marokko wandte sich in einer seiner seltenen Ansprache an das marokkanische Volk anlässlich der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Westsahara an die Öffentlichkeit. Die Rede, deren vollständiger Text von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP veröffentlicht wurde, interpretiert die gegenwärtige Phase als einen „entscheidenden Moment und einen Wendepunkt in der Geschichte des modernen Marokko“. Der Monarch betonte die Notwendigkeit, den seit fünf Jahrzehnten andauernden „künstlich herbeigeführten Konflikt“ durch eine „einvernehmliche Lösung auf der Grundlage der Autonomieinitiative“ endgültig beizulegen.
Der König hob hervor, dass es fortan ein „Vorher und ein Nachher am 31. Oktober 2025 geben“ werde, was in Verbindung mit dem üblichen jährlichen Erneuerungsdatum des MINURSO-Mandats der Vereinten Nationen steht. Das Ziel sei ein „vereintes Marokko, das sich von Tanger bis Lagouira erstreckt“.
Zunehmende internationale Akzeptanz des Autonomie-Rahmens
Der König verwies auf die wachsende internationale Unterstützung für die marokkanische Haltung. Er erklärte, dass die von Marokko initiierten diplomatischen Anstrengungen nun Früchte tragen würden, da zwei Drittel der UN-Mitgliedstaaten die marokkanische Autonomieinitiative als den „einzig gültigen Rahmen“ für eine Konfliktlösung betrachten würden.
Ein Indikator für diesen Wandel sei die erhebliche Ausweitung der Anerkennung der wirtschaftlichen Souveränität des Königreichs über seine südlichen Provinzen. Der König nannte ausdrücklich „wichtige Wirtschaftsmächte wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Großbritannien, Russland, Spanien und die Europäische Union“, die entschieden hätten, Investitionen zu fördern und den Handel mit diesen Provinzen zu intensivieren. Ziel sei es, diese Region als „Zentrum für Entwicklung und Stabilität“ und „zentrale Achse wirtschaftlicher Aktivitäten“ in der Sahel- und Sahara-Region zu etablieren.
Ankündigung zur Präzisierung des Vorschlags und die Rolle der UN-Resolution
In Bezug auf den UN-Prozess erklärte der Monarch, dass Marokko in die „entscheidende Phase“ eintrete. Er kündigte an, den Autonomievorschlag im Einklang mit der UN-Resolution zu „aktualisieren und präzisieren“, um ihn den Vereinten Nationen vorzulegen. Dieser Vorschlag diene als die „alleinige Verhandlungsgrundlage“ zur Erreichung einer endgültigen politischen Lösung, die als „realistische und praktikable“ Lösung die „legitimen Rechte Marokkos“ strikt achten soll.
Der König dankte den Ländern, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, insbesondere den Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident Donald Trump, deren Bemühungen den Weg geebnet hätten, sowie Frankreich, Großbritannien und Spanien.
Erneutes Dialogangebot an Algerien und Appell an die saharauischen Lagerbewohner
Ein wesentlicher Bestandteil der Ansprache war das erneute Angebot eines Dialogs an Algerien. König Mohammed VI. lud seinen Amtsbruder, Präsident Abdelmadjid Tebboune, zu einem „aufrichtigen brüderlichen Dialog“ zwischen Marokko und Algerien ein, mit dem Ziel, „nachdem wir unsere Differenzen überwunden haben, die Grundlage für neue Beziehungen [zu legen], die auf Vertrauen, Brüderlichkeit und guter Nachbarschaft beruhen“. Darüber hinaus bekräftigte er Marokkos Engagement für die Wiederbelebung der Maghreb-Union.
Der Monarch nutzte die Gelegenheit ebenfalls, um die „Brüder in den Lagern von Tindouf“ eindringlich dazu aufzurufen, die historische Gelegenheit zu ergreifen, sich wieder mit ihren Familien zu vereinen und innerhalb eines vereinten Marokkos an der Gestaltung ihrer Zukunft mitzuwirken. Er versicherte, dass alle Marokkaner gleich seien. Bisher hat Algerien auf solche Angebote offiziel nicht reagiert.
Der seit 50 Jahren andauernden Westsahara-Konflikts
Die königliche Ansprache erfolgte vor dem Hintergrund des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts um die Westsahara zwischen Marokko und der von Algerien unterstützten Polisario-Front. Die Thematisierung des 50. Jahrestages des Grünen Marsches – der von Marokko 1975 zur faktischen Inbesitznahme des Territoriums initiiert wurde – stellt die territoriale Frage in einen historischen nationalen Kontext. Die jährlichen UN-Resolutionen bestätigen in der Regel die Rolle der Vereinten Nationen als Vermittler und drängen auf Verhandlungen zur Erreichung einer „gerechten, dauerhaften und für beide Seiten annehmbaren politischen Lösung“, wobei Marokko den Autonomieplan als einzigen Rahmen sieht.

