Ermittlungen im Fall der mutmaßlichen Veruntreuung von 260 Millionen Dirham in Tétouan führen zu Anhörungen hochrangiger Beamter und werfen Fragen zur Kontrolle im Bankensektor auf.
Tanger – Der Finanzskandal um die Union Marocaine des Banques (UMB) zieht immer weitere Kreise. Das Berufungsgericht von Rabat hat laut einer Meldung von Al Akhbar seine Beratungen im Fall der mutmaßlichen Veruntreuung von fast 260 Millionen marokkanischen Dirham (rund 24 Millionen Euro) vorübergehend ausgesetzt. Eine neue Anhörung wurde für den 17. November angesetzt.
Die auf Finanzkriminalität spezialisierte Kammer plant, hochrangige Mitglieder von Bankenaufsichts- und Kontrollausschüssen zu befragen. Ziel ist es, Licht in die komplexen Abläufe zu bringen, die hinter dem Betrug in einer Tetouaner Filiale der UMB vermutet werden.
Widersprüchliche Aussagen im Zentrum der Ermittlungen
Der Fall nahm an Brisanz zu, nachdem ein zweiter Angeklagter, ein Mitarbeiter der Bank, detaillierte Angaben über angeblich undurchsichtige Finanzströme machte. Diese sollen laut Al Akhbar mehrere prominente Persönlichkeiten und Immobilienentwickler im Norden Marokkos betreffen.
Im Gegensatz dazu verteidigte der damalige Filialleiter – ebenfalls angeklagt – die Rechtmäßigkeit der vergebenen Kredite. Die Diskrepanz zwischen beiden Aussagen steht nun im Mittelpunkt der Ermittlungen. Beobachter erwarten, dass die bevorstehende Anhörung klären könnte, ob innerhalb der Bank ein paralleles Computersystem betrieben wurde, das für betrügerische Transaktionen genutzt wurde.
Spuren führen in Immobilien- und Sportsektor
Laut den Ermittlungsbehörden wird nicht ausgeschlossen, dass Teile der veruntreuten Gelder in abgebrochene Immobilienprojekte oder in die Finanzverwaltung des Fußballvereins Moghreb Tétouan geflossen sind. Auch der Verdacht auf Geldwäsche steht im Raum: Mehrere Millionen Dirham sollen über Privatkonten verschoben, auf Schwarzmärkten im Norden des Landes gehandelt oder zur Begleichung offener Schulden verwendet worden sein.
Auswirkungen auf das Vertrauen in das marokkanische Bankensystem
Der Skandal hat die Führungsetagen des marokkanischen Bankenverbandes erschüttert. Nach Angaben von Le360 führte die Enthüllung des Betrugsfalls bereits zu einer internen Überprüfung der Kontrollmechanismen. Experten sehen darin ein Warnsignal für das Finanzsystem des Landes, das in den vergangenen Jahren stark expandierte, insbesondere in den Regionen Tanger-Tetouan-Al Hoceima.
Während die Justiz versucht, die Verantwortlichkeiten zu klären, steht die Glaubwürdigkeit der UMB und die Wirksamkeit der Aufsichtsstrukturen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Noch bleibt offen, ob es sich um ein isoliertes Fehlverhalten einzelner Akteure oder um ein systemisches Kontrollversagen handelt.
Erwartung an die nächste Gerichtsanhörung
Die für Mitte November geplante Vernehmung hochrangiger Funktionsträger gilt als entscheidender Schritt zur Aufklärung. Sie soll Aufschluss darüber geben, inwieweit interne Kontrollen versagt haben und ob politische oder wirtschaftliche Einflussnahmen eine Rolle spielten.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens dürfte der Fall die Debatte über Transparenz, Compliance und Korruptionsbekämpfung im marokkanischen Finanzwesen weiter befeuern – Themen, die nicht nur den Bankensektor, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes insgesamt betreffen.

