Der Fall von Amira Bouraoui und ihre Aufnahme in Frankreich führt zu diplomatischen Spannungen zwischen Algier und Paris.
Algier – Der algerische Staatspräsident Abdelmadjid Tebboune ordnete an, den algerischen Botschafter in Frankreich, Saïd Moussi, mit sofortiger Wirkung zu Konsultationen zurückzurufen. Dies wurde bereits am vergangenen Mittwoch, 8. Februar 2023, in einer Erklärung des Präsidialamts der Republik angeordnet.
„Im Anschluss an die offizielle Note, mit der Algerien entschieden gegen die heimliche und illegale Exfiltration einer algerischen Staatsbürgerin protestiert hat, deren physische Präsenz auf dem nationalen Territorium von der algerischen Justiz angeordnet wurde, hat der Präsident der Republik, Herr Abdelmadjid Tebboune, angeordnet, den algerischen Botschafter in Frankreich, Saïd Moussi, mit sofortiger Wirkung in Konsultationen zurückzurufen“, heißt es in der Erklärung, die durch die staatliche Nachrichtenagentur APS aufgegriffen wurde.
Frankreich hilft algerischer Journalistin bei der Ausreise aus Tunesien.
Hintergrund der neuen diplomatischen Misstöne zwischen Algier und Paris ist der Fall der Journalistin Amira Bouraoui. Frau Bouraoui ist Mitarbeiterin des Mediums Radio M, gegen dass die algerische Justiz derzeit vorgeht und welches im letzten Jahr behördlich geschlossen wurde.
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die algerischen Behörden gegen den Gründer von Radio M, dem Journalisten Ihsane El-Kadi vorgegangen sind. Er sitz derzeit in Untersuchungshaft.
Algerien – Bekannter Journalist und Gründer von Radio M verhaftet.
Radio M gilt als regimekritisch und thematisiert die Menschenrechtslage sowie die Korruption in Algerien. Die Behörden werfen dem Medium unklare Finanzierungen vor. Frau Bouraoui als studierte Ärztin gilt als einflussreiche Aktivistin und bekannte Stimme des Hirak (politische Bewegung) und hatte auf Radio M eine wöchentliche Sendung. Frau Amira Bouraoui wurde nach kritischen Äußerungen 2021 wegen mutmaßlicher „Beleidigung des Islam“ und Beleidigung des Präsidenten zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Berufungsverfahren ist noch anhängig.
Nach dem das zuständige Gericht Frau Amira Bouraoui vorgeladen hatte und ein Ausreiseverbot aussprach, reiste diese dennoch nach Tunesien aus. Dort wurde sie bei einem Versuch von Tunis nach Frankreich auszureisen von den tunesischen Behörden festgenommen. Daraufhin bat sie oder ihre Anwälte Frankreich um Hilfe, zumal sie auch einen französischen Pass besitzt. Nach dem die tunesischen Behörden die algerische Journalistin wieder auf freien Fuß setzten, hätten französische Diplomaten und Beamte nach jetzigen Erkenntnissen die Ausreise aus Tunesien organisiert. Frau Bouraoui steht nun „unter dem Schutz der französischen Behörden “, sagte ihr französischer Anwalt François Zimeray gegenüber AFP.
Der algerische Minister für Kommunikation, Herr Mohamed Bouslimani, wies seinerseits jede Verbindung zwischen Amira Bouraoui und dem Beruf des Journalisten zurück und bekräftigte, dass es eine falsche Behauptung sei, sie als „Journalistin“ darzustellen.
Algerische Medien und politische Gruppen gehen in Stellung gegen Frankreich.
Zahlreiche politische Beobachter äußerten sich gegenüber algerischen Medien deutlich zum „verhalten“ Frankreichs. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS Herr Ahmed Bensaâda, ein von APS als Analyst und Experte für geopolitische Fragen bezeichneten Ansprechpartner, zitiert, sei „der Modus Operandi dieser Exfiltration keineswegs harmlos“ (…) „Er hat sicher die französischen Behörden auf höchster Ebene involviert“.
Die National Democratic Rally (RND) verurteilte die Unterstützung Frankreichs und „verfolge mit großer Besorgnis die jüngsten schwerwiegenden Entwicklungen im Fall der heimlichen Exfiltration eines algerischen Staatsangehörigen durch französische Diplomaten und Sicherheitsagenten“, da es sich um „eine flagrante Verletzung der nationalen Souveränität“ handele, heißt es in der Erklärung. Weiter heißt es in der gleichen Erklärung: Zu diesem Zweck „verurteilt das Rassemblement diese abscheuliche Tat aufs Schärfste“ und fordert „Vergeltung in der angemessensten Weise, um die koloniale Arroganz und die Übergriffe auf diplomatische Praktiken zu unterdrücken“.
Die Partei begrüße die offizielle algerische Haltung gegenüber diesem „beleidigenden Vorfall“ und „unterstützt jede Entscheidung, die im Interesse unseres Landes, unseres Volkes und unserer verfassungsmäßigen Institutionen getroffen wird“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Weitere von APS zitierte Personen des öffentlichen Lebens gehen davon aus, dass auch die Ausreise von Frau Bouraoui aus Algerien nach Tunesien durch „subversiven Netzwerken im Auftrag des Auslands organisiert“ worden sei.
Das algerische Medium Le Soir d´Algerie geht noch weiter und sieht indem Handeln Frankreichs einen beweis für eine grundlegende Feindseligkeit Paris gegenüber Algerien. „Jeder weiß, dass es auf der Ebene des französischen Geheimdienstes DGSE einen Fahrplan gibt, um die algerisch-französischen Beziehungen zu belasten. Dieser Fahrplan, der von den Barbouzes und „khabardji“ und bestimmten Verantwortlichen auf Ebene des DGSE, des Quai d’Orsay und bestimmten französisch-algerischen Beratern, die ihre Liebe und Verehrung für den Makhzen nicht verbergen, ausgeführt wird“, heißt es in einem Artikel womit auch Marokko als beteiligte Partei beschuldigt wird. Die Zeitung sieht gar den „Point of no Return in den algerisch-französischen Beziehungen“ als bald erreicht an.