Der sog. Braindrain in Marokko geht weiter und bedroht die Entwicklung.
Rabat – Marokkos Elite und Leistungsträger verlassen weiter das Land. Die Abwanderung von qualifiziertem Humankapital halte an. Gemeint sind gut ausgebildete Fachkräfte und Akademiker, darunter Ärztinnen und Ärzte, Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure und vergleichbare Berufsgruppen. Immer wieder verlassen junge Marokkanerinnen und Marokkaner ihr Heimatland, um in einem anderen Land zu leben, zu arbeiten bzw. dort zu bleiben, berichtet das Nachrichtenportal LeSiteInfo.
Politik kennt das Problem.
Jedes Jahr verlassen mehr als 3.000 Ingenieurinnen und Ingenieure das Königreich, um ihre finanzielle Situation zu verbessern, beklagt der Abgeordnete Abdennebi El Aidoudi in einer Rede im Repräsentantenhaus. Er forderte die Ministerin für digitale Transformation und Verwaltungsreform, Ghita Mezzour, auf, dringend eine Strategie zu entwickeln, um dieser Tendenz Einhalt zu gebieten.
Darüber hinaus verlassen auch jedes Jahr mehr als 600 Ärztinnen und Ärzte Marokko, um im Ausland zu arbeiten. Nach Angaben des Ministers für Hochschulwesen, wissenschaftliche Forschung und Innovation, Abdellatif Miraoui, verließen 2018 genau 603 Ärztinnen und Ärzte Marokko, das sind 30% der Absolventinnen und Absolventen der medizinischen und pharmazeutischen Fakultäten im nordafrikanischen Königreich.
Hochqualifizierte Auswanderer suchen nach neuen Perspektiven und besseren Lebensbedingungen.
Die Gründe für die Abwanderung seien vor allem die Suche nach neuen Möglichkeiten und einer besseren Lebensqualität. Dieses Phänomen, das einen großen Teil der marokkanischen Intelligenz erfasst habe, bringe jedoch erhebliche finanzielle Verluste für den Staat mit sich. Es sei auch keine gute Lösung, wenn man bedenkt, dass das Königreich mit einem schweren Arbeitskräftemangel in grundlegenden und wichtigen Gesundheitsberufen konfrontiert sei.
Das Nachrichtenmagazin verweist auf Analysen, wonach Marokko allein durch den sog. Braindrain von Ärztinnen und Ärzten jährlich zw. 0,10 und 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) verliere. In Zahlen ausgedrückt bedeute dies Kosten zw. 1,1 Mrd. marokkanische Dirham MAD und 2,77 Mrd. MAD. Die Zahlen liegen vor. Nun muss darüber nachgedacht werden, wie die Blutung gestoppt werden könnte.
Europa und der Nahe Osten werden Situation anheizen.
Auch wenn Marokko die Situation erkannt hat, wird sich auf absehbarer Zeit nichts an der Abwanderung ändern lassen. Das nordafrikanische Land kann durch die Auswanderer einen Teil der Verluste kompensieren, da diese Personen zu neuen und vielleicht regelmäßigen Devisenquellen werden, in dem sie an ihre Verwandten Rücküberweisungen leisten.
Zugleich locken wirtschaftlich stärkere Regionen mit höheren Gehältern als in Marokko, darunter vor allem Länder aus dem Nahen Osten und der Golfregion. Auch die derzeit im EU-Raum diskutierte neue Migrationspolitik, die den Fachkräftemangel in Europa beseitigen und daher auf gut ausgebildete Fachkräfte ausgerichtet werden soll, wird weitere Leistungsträger ansprechen. Dabei ist zu erwarten, dass es dann nicht nur um Akademiker gehen wird, sondern um Arbeitskräfte im Pflegebereich für den Bausektor oder die Landwirtschaft und vielleicht sogar für den Bildungssektor.
Gerade unter jungen Akademikern ist die Unzufriedenheit und die Bereitschaft zur Auswanderung groß, da sie sehr stark von der Arbeitslosigkeit betroffen sind und Unzulänglichkeiten im sozialen und politischen Gefüge besonders wahrnehmen.