Verzichtaufruf des Königs ist kein historischer Präzedenzfall und stellt eine wiederholte Reaktion auf die Anfälligkeit des Landes für wirtschaftliche Schwankungen und Krisen da.
Rabat – Der Verzichtaufruf des marokkanischen Königs an die Bevölkerung während des diesjährigen Eid al-Adha (Opferfestes), in Marokko kein Opfertier zu schlachten, sorgt weiterhin für Diskussionen. Während viele im Land die königliche Entscheidung begrüßen und für legitim und gerechtfertigt halten, stößt sie gerade bei islamisch-konservativen und islamistischen Kreisen auf teils laute Kritik, die darin einen Eingriff in ihre Religionsausübung und Annäherung an „westliche“ Werte sehen.
Der marokkanische König Mohammed VI. hatte Ende Februar 2025 dazu aufgerufen, wegen der Dürre im Land, des mutmaßlich geringen Viehbestands, der deutlich gestiegenen Preise für Fleisch und Opfertiere sowie zur Entlastung ärmerer Bevölkerungsgruppen auf die traditionelle Opferung eines Widders oder Lamms zu verzichten.
Marokko – Opferfest ohne Opfertiere – König ruft zum Verzicht auf.
Könige riefen bereits mehrfach zum Verzicht auf
Dies war nicht das erste Mal, dass ein marokkanischer Monarch dazu aufgerufen hat. Dies hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben. Die Jahre 1963, 1981 und 1996 markieren historische Momente, in denen wirtschaftliche Zwänge und Krisen zu dieser außergewöhnlichen Maßnahme führten.
Von der Sandkrieg-Auseinandersetzung bis zur Wirtschaftskrise von 1996 und dem verheerenden Jahr 1981 legte Dürre die Schwächen und Grenzen der gewählten Wirtschaftsmodelle offen, die den Launen des Wetters ausgeliefert waren. Marokkos Wirtschaft und Wohlstand ist bis heute und trotz enormer Anstrengungen und Investitionen in erheblichem Maße von der Landwirtschaft abhängig. Angesichts des gerade auch in Marokko immer stärker spürbaren Klimawandels ein wachsendes Risiko.
Historischer Kontext der Absagen
-
1963:
- König Hassan II. sagte das Fest aufgrund des Sandkriegs mit Algerien ab, der den Staatshaushalt belastete.
- Diese Entscheidung verdeutlichte die Schwierigkeiten des jungen Königreichs, seine Wirtschaft zu stabilisieren.
-
1981:
- Eine schwere Dürre führte zu Ernteausfällen und dezimierte den Viehbestand.
- Die Absage fiel mit sozialen Spannungen und den „Brotunruhen“ in Casablanca zusammen.
-
1996:
- Eine erneute Dürrekrise führte zu einem Rückgang der Agrarproduktion.
- Die Absage sollte einen Preisanstieg für Fleisch verhindern und nationale Ressourcen schützen.
Man darf nicht vergessen, dass Marokko jedes Jahr in Vorbereitung auf das Opferfest eine hohe Stückzahl an Opfertieren importieren muss, um den Bedarf zu decken, und diese Importe mit hohen Summen subventioniert, um das Preisniveau erträglich zu halten. Dies belastet den Staatshaushalt erheblich mit mehreren Millionen Dirham jedes Jahr.
Aktuelle Situation und alternative Praktiken
Trotz des Verzichts auf das traditionelle Opfertier zeigen die Marokkaner in der Vergangenheit „Kreativität“ bei der Aufrechterhaltung der „Tradition“ zum Opferfest. Es gab vermehrt:
- Illegale Schlachtungen in ländlichen Gebieten.
- Opferrituale in öffentlichen Schlachthöfen.
- Alternative Symbolische Feste mit festlichen Mahlzeiten.
Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft
Der Verzichtaufruf von König Mohammed VI., der in Marokko weltliches wie auch geistliches Oberhaupt ist, hatte nahezu unmittelbar auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen.
Gerade einkommensschwache Bevölkerungsgruppen sahen sich von dem gesellschaftlichen Druck entlastet, ein im Preis teuer gewordenes Opfertier zu kaufen. Nicht wenige haben sich in dieser Zeit verschuldet, um an dem Ritual teilnehmen zu können.
Die wirtschaftlichen Folgen waren aber zugleich für die Züchter und Händler zu spüren. Nach Medienberichten fiel noch am Folgetag der Preis für „rotes Fleisch“ auf dem Markt der Metropole Casablanca um 50 %, da die Züchter und Händler von einer geringen Nachfrage ausgehen und von einer hohen Zahl an Tieren, die jetzt in den normalen Handel aufgenommen werden müssen.
Entsprechend beklagen viele Züchter und Zwischenhändler einen hohen finanziellen Schaden, denn der Wert ihrer Tiere ist praktisch über Nacht deutlich gefallen. Es droht, dass viele Viehzüchter und Bauern ihre Investitionen in die Aufzucht von Opfertieren nicht wieder vollständig einspielen können. Auch die Zwischenhändler, die in der Erwartung hoher Marktpreise bereit waren, zu höheren Kosten Tiere bei den Züchtern weit im Voraus einzukaufen, könnten vor einer gescheiterten Spekulation stehen.
Freuen werden sich Tierschützer und die Regierung. Die Regierung muss nun weniger Tiere importieren, was den Druck auf die Staatskasse verringert. Die Tierschützer freuen sich, weil vielen Tieren nicht nur die Schlachtung an nur einem Tag erspart bleibt, sondern die sicher nicht artgerechte und teils qualvollen Zwischenhaltung in Garagen, auf Dächern oder Terrassen vor allem in den Großstädten erspart bleiben wird.