Junge Generation setzt Proteste fort und fordert Reformen in Bildung und Gesundheit – Bewegung GenZ212 gewinnt an Einfluss und richtet Appell an den König
Casablanca – In Marokko dauern die von der Jugendbewegung GenZ212 organisierten Demonstrationen bereits den neunten Tag in Folge an. Tausende junge Menschen versammelten sich unter anderem erneut auf dem Mohammed-V.-Platz in Casablanca – im Volksmund auch „Taubenplatz“ genannt – um gegen die Politik der Regierung von Premierminister Aziz Akhannouch zu protestieren.
Wie marokkanische Medien übereinstimmend berichten, richten sich die Forderungen der Demonstranten zunehmend direkt gegen die Regierung und deren Chef. Neben Plakaten mit der Aufschrift „Akhannouch dégage!“ („Akhannouch, raus hier!“) seien auch Schilder mit der Botschaft „Gesucht… nur lebend!“ gezeigt worden – ein deutlicher Ausdruck der Unzufriedenheit mit der aktuellen politischen Führung.
Bildung und Gesundheit im Zentrum der Kritik
Die Bewegung GenZ212, die sich vor allem aus jungen Aktivistinnen und Aktivisten zusammensetzt und sich auf Onlineplattformen organisiert, fordert laut dem Nachrichtenportal Le360 vor allem tiefgreifende Reformen im Gesundheits- und Bildungssystem. Ein Demonstrant erklärte gegenüber der Plattform:
„Unsere Mobilisierung zeigt Wirkung – Krankenhäuser werden ausgestattet, Projekte angekündigt, Versprechen eingelöst. Aber wir hören nicht auf. Wir wollen, dass die Regierung Verantwortung übernimmt.“
Mehrere Protestierende äußerten sich kritisch über den Zustand der öffentlichen Krankenhäuser. Ein Teilnehmer berichtete von „Sicherheitskräften mit mehr Autorität als Ärzten“ und von „mangelnder Ausrüstung und Ausbildung“. Solche Zustände seien, so der junge Mann, „inakzeptabel für ein Land, das Fortschritte machen will“.
Auch das Bildungssystem steht in der Kritik. Ein anderer Demonstrant zog einen Vergleich zwischen heute und 1987, dem Jahr, in dem sein Vater das Dorf verließ, um zu studieren:
„Der Lehrplan ist noch immer derselbe. Nur der Name des Autors und die Farbe des Einbands haben sich geändert.“
GenZ212 appelliert direkt an den König
Wie die Maghreb-Post berichtet, wandte sich das Kollektiv GenZ212 inzwischen in einem offenen Brief direkt an König Mohammed VI. Darin fordert die Bewegung eine stärkere Priorisierung der sozialen Grundbedürfnisse der Bevölkerung – insbesondere Bildung, Gesundheit und Beschäftigung.
Die Aktivisten betonen, sie würden die Monarchie respektieren, sähen aber die Regierung in der Pflicht, konkrete und nachhaltige Lösungen zu liefern. Der Brief unterstreicht den Wunsch nach einem „neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Bürgern und Staat“, der auf Transparenz und Verantwortlichkeit basieren solle.
Regierung unter Beobachtung – erste Reaktionen sichtbar
Innerhalb der Regierung ist der Druck spürbar gewachsen. Neben Premierminister Akhannouch stehen auch Gesundheitsminister Amine Tehraoui und Bildungsminister Mohamed Saad Berrada im Fokus der Kritik. Laut Le360 nahmen die Protestierenden auch Rachid Talbi Alami, den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses und führenden Vertreter der Regierungspartei RNI, ins Visier.
Die GenZ212-Bewegung zeichnet sich durch ihre dezentrale Struktur und die intensive Nutzung sozialer Medien aus. Ihre Botschaften verbreiten sich rasch über Plattformen wie Instagram, TikTok und X (vormals Twitter). Wie die Maghreb-Post berichtete will die Gruppe damit ein neues Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und politische Rechenschaftspflicht schaffen.
In den Slogans und Redebeiträgen der Demonstrationen spiegelt sich ein wachsendes Selbstbewusstsein der jungen Generation wider. Viele fordern, dass Marokko „mehr auf seine Jugend hören“ müsse, da diese den größten Teil der Bevölkerung stelle und die Zukunft des Landes repräsentiere.
Eine Jugend zwischen Anspruch und Realität
Marokkos wirtschaftliche Entwicklung gilt in Nordafrika als vergleichsweise stabil, doch soziale Ungleichheiten und regionale Disparitäten bleiben groß. Besonders in urbanen Zentren wie Casablanca oder Rabat fühlen sich viele junge Menschen trotz wachsender Wirtschaftskraft abgehängt.
Die Proteste zeigen, dass sich eine Generation, die mit globaler Vernetzung und hohem Bildungsanspruch aufgewachsen ist, nicht länger mit symbolischen Reformen zufriedengibt. Ob die Regierung Akhannouch die geforderten strukturellen Veränderungen umsetzen kann, bleibt offen – doch der Druck auf die politische Führung wächst spürbar.
Marokko – GenZ212 wendet sich an den König und nennt Forderungen

