Polen reiht sich in die Riege europäischer Staaten ein, die Marokkos Autonomieplan für die Westsahara als „realistische Grundlage“ für eine Lösung des Konflikts sehen.
Warschau – Mit einer am 21. Oktober 2025 veröffentlichten gemeinsamen Erklärung hat Polen den von Marokko im Jahr 2007 vorgeschlagenen Autonomieplan offiziell als „ernsthafte, realistische und pragmatische Grundlage“ für eine dauerhafte Lösung des Westsahara-Konflikts bezeichnet. Die Erklärung folgte auf ein Telefongespräch zwischen dem polnischen Vizepremierminister und Außenminister Radosław Sikorski und seinem marokkanischen Amtskollegen Nasser Bourita, wie die marokkanische staatliche Nachrichtenagentur MAP berichtete.
Damit unterstützt nun auch Polen den von Marokko favorisierten Ansatz, der der Westsahara eine weitgehende Selbstverwaltung unter marokkanischer Souveränität vorsieht. Laut MAP schließen sich Warschau damit einer breiten internationalen Strömung an: 23 EU-Mitgliedstaaten und mehr als 120 Länder sollen inzwischen ähnliche Positionen vertreten.
Rabat feiert diplomatischen Erfolg gegen Polisario-Forderung
Die polnische Haltung wird in Rabat als bedeutender außenpolitischer Erfolg gewertet. Marokko wirbt seit Jahren aktiv für internationale Unterstützung seines Autonomieplans, der erstmals 2007 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde. Die Regierung in Rabat betrachtet ihn als einzigen realistischen Weg zur Beilegung des Konflikts um die Westsahara, während die von Algerien unterstützte Frente Polisario weiterhin eine vollständige Unabhängigkeit der Region fordert.
Mit der polnischen Unterstützung erhält Marokko Rückhalt aus einem Land, das in der EU-Außenpolitik zunehmend an Gewicht gewinnt. Für Polen, das sich als Mittler zwischen Ost- und Westeuropa versteht, bedeutet die Erklärung zugleich eine Festigung seiner diplomatischen Beziehungen zu Rabat und eine Positionierung innerhalb der EU gegenüber der Nordafrika-Politik.
Abstimmung im UN-Sicherheitsrat – Druck auf die MINURSO-Mission
Die neue Haltung Polens kommt nur wenige Tage vor einer voraussichtlich entscheidenden Abstimmung im UN-Sicherheitsrat. Noch in diesem Monat (Oktober 2025) steht die Verlängerung des Mandats der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) zur Debatte. Die MINURSO-Mission, deren primäres Ziel die Überwachung des Waffenstillstands ist, muss regelmäßig vom Sicherheitsrat neu mandatiert werden. Algerien, das derzeit als nichtständiges Mitglied im Rat sitzt und die Frente Polisario unterstützt, spielt hier seine Rolle, zunehmend als politisch isolierte Partei. Algier hat sich wiederholt gegen Resolutionen ausgesprochen, die Marokkos Position im Konflikt stärken könnten. Die zunehmende europäische Unterstützung für Marokkos Autonomieplan erhöht den diplomatischen Druck auf Algerien im Vorfeld dieser wichtigen Abstimmung. Nicht wenige Beobachter halten es nicht für unwahrscheinlich, dass es zu eine gegenüber der Vergangenheit veränderten Resolution kommen wird, in der Marokkos Position gestärkt werden könnte.
Marokko als „glaubwürdiger Partner“ – Lob für Königs Reformen
In derselben Erklärung lobte der polnische Außenminister Radosław Sikorski laut MAP die „zahlreichen ehrgeizigen Reformen“, die unter der Führung von König Mohammed VI. umgesetzt worden seien. Diese Reformen hätten Marokko als „glaubwürdigen, zuverlässigen und verantwortungsvollen Partner“ der Europäischen Union in Afrika positioniert.
Das polnische Außenministerium verweist dabei insbesondere auf wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, die zur Stabilisierung und Modernisierung des Landes beigetragen hätten. Diese Einschätzung deckt sich mit der Einschätzung anderer europäischer Staaten, die Marokko zunehmend als Partner in den Bereichen Energie, Migration und wirtschaftliche Entwicklung sehen.
Witkoff-Initiative: US-Vermittler setzt auf rasche Lösung
Während Europa seine Unterstützung für Marokkos Position stärkt, hat sich auch auf internationaler Ebene Bewegung ergeben. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff kündigte in einem Interview mit dem Sender CBS News am 19. Oktober 2025 an, innerhalb von 60 Tagen eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Marokko und Algerien anzustreben. Wie die Maghreb Post bereits berichtete sieht Witkoff nach der Vermittlung des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas nun auch im Maghreb Potenzial für eine rasche Einigung. Die USA gehören zu den Ländern, die sogar den uneingeschränkten Hoheitsanspruch Marokkos auf die von Rabat als „Südliche Provinzen“ bezeichneten Gebiete in der Westsahara anerkannt haben.
Die Vereinigten Staaten hoffen offenbar, durch eine Kombination aus politischem Druck und wirtschaftlichen Anreizen Fortschritte in der festgefahrenen Westsahara-Frage zu erzielen. Algerien, das die Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario unterstützt, hat bislang keine Bereitschaft zu direkten Verhandlungen mit Marokko signalisiert. Die diplomatischen Beziehungen beider Länder sind seit 2021 abgebrochen, und die gemeinsame Grenze bleibt seit 1994 geschlossen.
Algeriens Widerstand – Der Maghreb-Konflikt bleibt festgefahren
Witkoffs optimistischer Zeitrahmen von zwei Monaten trifft auf eine komplexe politische Realität. Eine Lösung des Konflikts gilt als Schlüssel für eine mögliche Normalisierung der Beziehungen zwischen Rabat und Algier – und damit für eine Stabilisierung der gesamten Maghreb-Region.
Marokkos Autonomieplan steht im Mittelpunkt dieser Diskussionen. Während die marokkanische Regierung darin den einzigen realistischen Weg sieht, lehnt die Frente Polisario ihn als Versuch ab, die Kontrolle Rabats über das Gebiet zu legitimieren. Die Position Polens und anderer europäischer Staaten könnte den diplomatischen Druck auf Algier erhöhen, an einem politischen Prozess teilzunehmen, der bislang weitgehend stagniert.
Strategischer Wandel – Grüne Energie und Stabilität in der EU-Nordafrika-Politik
Die zunehmende Unterstützung innerhalb der EU für Marokkos Autonomieplan deutet auf eine schrittweise Verschiebung in der europäischen Haltung hin. Länder wie Spanien, Deutschland und die Niederlande hatten in den vergangenen Jahren ihre Positionen angepasst und Marokkos Vorschlag als „realistische Grundlage“ bezeichnet. Polen folgt nun diesem Trend und signalisiert damit, dass die EU-Staaten in der Frage der territorialen Integrität Marokkos weitgehend übereinstimmen.
Für die Europäische Union steht dabei nicht nur die politische Stabilität Nordafrikas im Mittelpunkt, sondern auch die Kooperation in Energiefragen, insbesondere im Bereich grüner Wasserstoff und erneuerbarer Energien. Marokko gilt in diesen Sektoren als wichtiger Partner, während Algerien in den vergangenen Jahren stärker auf bilaterale Energiebeziehungen mit Südeuropa gesetzt hat.
Zwischen Symbolik und Kalkül – Polens strategische Positionierung
Die polnische Erklärung könnte auch weniger als politischer Kurswechsel, sondern eher als strategische Positionierung im europäischen Kontext gemeint sein. Sie stärkt Marokkos diplomatische Kampagne, den Autonomieplan international als konsensfähige Lösung zu etablieren, und könnte zugleich die polnisch-marokkanischen Wirtschaftsbeziehungen vertiefen.
Ob diese neuen Unterstützungsbekundungen tatsächlich zu einem Durchbruch im jahrzehntelangen Konflikt führen, bleibt offen. Der bevorstehende Herbst könnte jedoch entscheidend sein – sowohl für die diplomatischen Beziehungen zwischen Rabat und Algier als auch für die außenpolitische Rolle der EU im Maghreb.
Marokko – US-Sondergesandter kündigt rasche Konfliktlösung mit Algerien an

