„Casablanca Tech Valley“ in Sidi Othmane soll Innovationszentrum werden – nicht alle Expert:innen zeigen sich überzeugt. Großprojekt mit Ambitionen
Casablanca – Die marokkanische Regierung will in Casablanca ein neues Zentrum für technologische Innovation und unternehmerische Entwicklung schaffen: das „Casablanca Tech Valley“, angesiedelt im Stadtteil Sidi Othmane, einem bislang industriell geprägten Viertel. Die Vision des Projekts ist ambitioniert: Bis 2027 soll auf dem Gelände eines stillgelegten Industriekomplexes ein modernes Technologiezentrum entstehen, das sowohl lokale Start-ups als auch internationale Investoren anzieht.
Der Vorschlag wurde Ende April 2025 von Casablanca Prestations, einer Tochtergesellschaft der Stadtverwaltung, vorgestellt. Demnach sei das Projekt als ein „Symbol für den Wandel der wirtschaftlichen Identität Casablancas“ zu verstehen – weg von klassischer Industrieproduktion, hin zu digitalen und wissensbasierten Geschäftsmodellen.
„Casablanca Tech Valley“ Zwischen Innovation und Stadtentwicklung
Mit dem „Casablanca Tech Valley“ plant die Stadt laut offiziellen Angaben einen „neuen urbanen Pol für Innovation, Unternehmertum und nachhaltige Entwicklung“. Die Umnutzung der 13 Hektar großen Industriebrache ist Teil einer städtebaulichen Aufwertung, die auf mehreren Ebenen gleichzeitig ansetzt: ökonomisch, ökologisch und sozial. Dabei sollen bis zu 20.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Verantwortlichen heben hervor, dass die Initiative nicht nur Raum für Tech-Unternehmen, sondern auch für Bildungseinrichtungen, Co-Working-Spaces, kulturelle Aktivitäten und Start-up-Förderung schaffen soll. Durch die Integration von Grünflächen und nachhaltigen Baukonzepten wolle man einen ganzheitlichen „Tech-Ökosystem“-Ansatz verfolgen.
Kritik an fehlender Einbindung lokaler Akteure
Trotz der ambitionierten Pläne stößt das Projekt auch auf Kritik. Mehrere Stimmen aus der lokalen Wirtschaft und Zivilgesellschaft bemängeln, dass wesentliche Details zur Finanzierung, Umsetzung und Partizipation bislang unklar seien.
So weist etwa der Urbanist Abdellah Tourabi darauf hin, dass bei vergleichbaren Projekten in der Vergangenheit häufig „die soziale Komponente zu kurz kam“ – insbesondere, wenn es um die Umsiedlung bestehender Gewerbe oder die wirtschaftliche Inklusion benachteiligter Gruppen gehe.
Auch Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) äußern Bedenken. In einer Stellungnahme betont ein Branchenverband, dass „technologische Entwicklung ohne Anbindung an das bestehende lokale Gefüge Gefahr läuft, soziale Ungleichgewichte zu verschärfen“. Zwar begrüße man die Initiative grundsätzlich, doch sei Transparenz bei der Entwicklung entscheidend für ihre Legitimität.
Zwischen Hoffnung und Realismus
Befürworter verweisen dagegen auf den großen Nachholbedarf Marokkos im Bereich technologischer Infrastruktur. Projekte wie das „Casablanca Tech Valley“ könnten helfen, digitale Kompetenzen zu stärken, internationale Partnerschaften zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, insbesondere für die junge Generation.
Die endgültige Umsetzung des Projekts bleibt jedoch an Bedingungen geknüpft – etwa an Investitionszusagen, Planungskoordination mit privaten Akteuren und die tatsächliche Umgestaltung des Stadtviertels. Für die kommenden Monate ist daher entscheidend, wie die politische Steuerung, die wirtschaftliche Machbarkeit und die soziale Integration miteinander in Einklang gebracht werden können.
Ob das „Casablanca Tech Valley“ zu einem zukunftsweisenden Innovationsstandort wird oder als überambitioniertes Leuchtturmprojekt scheitert, hängt maßgeblich davon ab, wie inklusiv, realistisch und nachhaltig die nächsten Schritte gestaltet werden. Klar ist: Das Projekt steht sinnbildlich für die wirtschaftspolitische Neuausrichtung Marokkos – und den damit verbundenen Spagat zwischen globaler Wettbewerbsfähigkeit und lokaler Verankerung.