In seiner Rede zum „Ibrahim Governance Weekend“ plädiert der Monarch für afrikanische Lösungen, regionale Wertschöpfung und globale Reformen
Marrakech – Beim „Ibrahim Governance Weekend 2025“ (Forum für gute Regierungsführung in Afrika) in der Königsstadt Marrakech, einer hochkarätigen Veranstaltung der Mo-Ibrahim-Stiftung, hat König Mohammed VI. in einer schriftlich übermittelten Grußbotschaft seine Vision für eine tiefgreifende Neuausrichtung der Entwicklungsfinanzierung in Afrika vorgestellt.
In der von seinem Berater André Azoulay verlesenen Rede ruft der marokkanische Monarch zu einem Paradigmenwechsel auf: Afrika solle sich aus seiner strukturellen Abhängigkeit lösen und selbstbestimmte, lokal verankerte Finanzierungs- und Entwicklungsmodelle schaffen.
Vier zentrale Pfeiler für Afrikas Entwicklung
Der König gliederte seine Ausführungen in vier zentrale Handlungsbereiche, die seiner Ansicht nach die Basis für eine umfassende, nachhaltige und eigenständige Entwicklung des Kontinents bilden sollen:
Ein neues Modell der Entwicklungsfinanzierung
Afrika dürfe sich nicht länger auf öffentliche Ausgaben oder kreditfinanzierte Auslandshilfen stützen. Stattdessen müssten:
- einheimische Ressourcen mobilisiert,
- strukturpolitische Reformen umgesetzt
- innovative Finanzinstrumente wie Diaspora-Anleihen oder projektbezogene Fonds entwickelt werden.
Auch Rücküberweisungen der afrikanischen Diaspora müssten stärker zur Finanzierung genutzt werden.
Reform des wirtschaftlichen und institutionellen Umfelds
Um Investitionen und Unternehmertum zu fördern, sei ein verantwortungsvoller und transparenter Ordnungsrahmen notwendig. Dazu gehören laut Mohammed VI.:
- Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung,
- besseres Investitionsklima
- sowie eine ethisch orientierte Justiz.
Stärkung des innerafrikanischen Handels
Mit einem intraafrikanischen Handelsanteil von nur 16 % – verglichen mit 60 % in Europa – sieht der König erheblichen Nachholbedarf. Die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA) könne laut seiner Einschätzung zum Katalysator für Wachstum und Industrialisierung werden.
Nutzung und Veredelung natürlicher Ressourcen
Afrika müsse aufhören, lediglich Rohstoffe zu exportieren. Stattdessen solle es:
- in regionale Wertschöpfungsketten investieren,
- lokale Industrialisierung fördern
- und seine Rolle als rohstoffreiche Weltregion aktiv gestalten.
„Jetzt ist es an der Zeit, einen Mehrwert zu schaffen und neue Einnahmen zu erzielen“, sagte der König.
Marokkos Eigenbeitrag: Initiativen und institutionelle Innovationen
Mohammed VI. verwies in seiner Rede auf konkrete Initiativen Marokkos zur Förderung der kontinentalen Integration:
- Die African Atlantic Gas Pipeline (AAGP), ein langfristiges Großprojekt zur Energieversorgung.
- Die 2023 gestartete Atlantik-Initiative, mit der Sahelländer besseren Zugang zum Atlantik erhalten sollen.
- Der Rabat Atlantic African States Process zur Stärkung regionaler Zusammenarbeit.
Auch institutionell positioniert sich Marokko als Finanzakteur im afrikanischen Kontext:
- Der Investitionsfonds Mohammed VI. fördert private Investitionen, KMU und Innovationen.
- Casablanca Finance City hat sich als regionale Finanzdrehscheibe etabliert und zieht internationale Kapitalströme an.
Globale Verantwortung und multilaterale Reformforderungen
Der König kritisierte auch die Rolle des internationalen Finanzsystems. Afrika sei weiterhin unterrepräsentiert und zahle hohe Zinssätze auf den Kapitalmärkten, was die Entwicklungsfähigkeit massiv einschränke.
Er fordert daher:
- Zugang zu zinsgünstigen, konzessionären Krediten
- Reform der internationalen Finanzinstitutionen
- bessere Vertretung Afrikas in globalen Entscheidungsgremien
- niedrigere Gebühren für Diaspora-Überweisungen
Die im Juni anstehende Vierte Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Sevilla bezeichnete Mohammed VI. als „eine gute Gelegenheit“, um diese Forderungen weiter voranzutreiben.
Eine afrikanische Agenda für globale Reform
Mohammed VI. betonte, dass die Zeit drängt: Die Frist für die Agenda 2030 der Vereinten Nationen nähere sich, doch viele afrikanische Länder seien finanziell kaum in der Lage, die Entwicklungsziele zu erreichen. Entwicklung, so der König, sei kein Automatismus, sondern erfordere „ehrgeizige politische Maßnahmen, Investitionen in Humankapital und solide wirtschaftspolitische Grundlagen“.
Er appellierte an multilaterale Gremien und afrikanische Staaten gleichermaßen, die Finanzierungsfrage in den Mittelpunkt der internationalen Agenda zu rücken – nicht irgendwann, sondern „jetzt“.
Zwischen Eigenverantwortung und globaler Gerechtigkeit
Die Rede Mohammeds VI. war ein aufrüttelnder Beitrag zur Debatte über Afrikas wirtschaftliche Zukunft – aber auch ein politisches Positionspapier Marokkos als aktiver Impulsgeber in der kontinentalen Zusammenarbeit.
Indem der König sowohl lokale Verantwortung einfordert als auch globale Systemkritik übt, schlägt er eine Brücke zwischen souveräner Entwicklungspolitik und internationaler Reformagenda. Die kommenden Monate – insbesondere die Konferenz in Sevilla – werden zeigen, ob seine Worte politische Wirkung entfalten.
Marokko – Königliche Rede zur Entwicklungsfinanzierung Afrikas