StartGesellschaftMarokko – Kinderarbeit bleibt eine oft verschwiegene Realität trotz Fortschritten

Marokko – Kinderarbeit bleibt eine oft verschwiegene Realität trotz Fortschritten

Bildung schützt – aber nicht alle haben Zugang

Trotz eines deutlichen Rückgangs ist Kinderarbeit in Marokko weiterhin weit verbreitet, vor allem auf dem Land und in risikoreichen Arbeitsfeldern. Ein Bericht des Hohen Planungskommissariats gibt Einblick in ein strukturelles Problem.

Rabat – Das Hohe Planungskommissariat Marokkos (HCP) hat nur wenige Tage nach dem begangenen Welttag gegen Kinderarbeit (12. Juni) aktuelle Zahlen zur Lage arbeitender Kinder im Land veröffentlicht. Demnach ist Kinderarbeit im Jahr 2024 erneut zurückgegangen – ein Fortschritt, der nicht unbemerkt bleiben sollte. Mit knapp 101.000 arbeitenden Kindern zwischen 7 und 17 Jahren sank die Zahl gegenüber 2023 um nochmals 8,2 %, seit 2017 sogar um 59,1 %. Damit würden nur noch ca. 1,3% alles Kinder in dieser Altersgruppe bereits einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Doch bei aller positiven Entwicklung bleibt das Phänomen tief im sozialen Gefüge verankert – insbesondere in ländlichen Regionen, wo es fast fünfmal so häufig vorkommt wie in Städten.

Besonders betroffen – Jungen auf dem Land

Die Daten zeigen eine klare soziale und geografische Schieflage. Laut der HCP leben rund 78 % der arbeitenden Kinder auf dem Land bzw. in ländlichen Regionen, 84,6 % sind Jungen. Die meisten sind zwischen 15 und 17 Jahre alt – eine Altersgruppe, in der viele eigentlich ihre schulische oder berufliche Ausbildung abschließen sollten. Doch nur 10,7 % der arbeitenden Kinder besuchen überhaupt noch eine Schule; über 87 % haben diese bereits beendet oder beenden müssen.

Gerade in der Landwirtschaft ist Kinderarbeit alltäglich. In ländlichen Gebieten arbeiten mehr als 70 % der betroffenen Kinder in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. In Städten sind Dienstleistungen (58,8 %) und Industrie (26,1 %) die dominierenden Sektoren.

Gefährliche Arbeiten als Risiko für Kinder und Wirtschaft

Besonders alarmierend ist, dass nahezu zwei Drittel der arbeitenden Kinder (62,7 %) gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind – häufig ohne angemessenen Schutz. Der Anteil ist in der Industrie mit 88,6 % besonders hoch, im Baugewerbe liegt er bei 74,4 %. Diese Arbeiten gefährden nicht nur die Gesundheit der Kinder, sondern auch ihre Bildungschancen und spätere berufliche Entwicklung.

Langfristig ist Kinderarbeit auch ein ökonomisches Risiko. Kinder, die früh arbeiten statt zu lernen, stehen dem Arbeitsmarkt später nur eingeschränkt qualifiziert zur Verfügung. Das hemmt nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch das wirtschaftliche Wachstum des Landes.

Bildung schützt – aber nicht alle haben Zugang

Ein Blick auf den familiären Hintergrund macht deutlich, dass Kinderarbeit stark mit Bildungsstand und Haushaltseinkommen zusammenhängt. Haushalte mit geringer Bildung und vielen Mitgliedern sind überproportional betroffen. Besonders häufig arbeiten Kinder in Familien von Landwirten (38 %), aber auch unter Handwerkern, Fabrikarbeitern und Kleinhändlern ist Kinderarbeit verbreitet. In besser gebildeten oder einkommensstärkeren Haushalten tritt sie kaum auf.

Fortschritte, aber kein Grund zur Entwarnung

Der Bericht des Hohen Planungskommissariats HCP belegt, dass Marokko in den letzten Jahren spürbare Fortschritte bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gemacht hat. Gleichzeitig bleibt das Thema eine drängende Herausforderung – insbesondere in ländlichen Regionen und unter wirtschaftlich schwachen Haushalten. Die Daten mahnen zur Vorsicht. Ohne gezielte soziale, bildungspolitische und wirtschaftliche Maßnahmen wird das Phänomen nicht vollständig verschwinden.

Ein nachhaltiger Entwicklungsweg für Marokko führt über Bildung, soziale Sicherung und den Schutz der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft – insbesondere der Kinder.

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