StartKommentarMarokko – Frankreich will zurück und das mit alten Rezepten.

Marokko – Frankreich will zurück und das mit alten Rezepten.

Kernenergie, FIFA-WM Organisation, Solarenergie, Wasserstoff, Automobil- und Luftfahrtsektor

Wie Bruno Le Maire Frankreichs Einfluss in Marokko wieder stärken will und eigentlich keine neue Strategie hat. Kooperationen, Kredite und Abverkauf französischer Produkte.

Rabat – Seit einigen Wochen klingt die diplomatische Krise zwischen Marokko und Frankreich ab. Seit dem „gemeinsamen Mittagessen“ der französischen Präsidentengattin Brigitte Macron und den Schwestern von König Mohammed VI., Prinzessinnen Lalla Meryem, Lalla Asmae und Lalla Hasnaa, im Elysee Palast, wo die Prinzessinnen auch von Präsident Macron besonders zuvorkommend begrüßt worden sein sollen, geben sich französische Regierungsmitglieder die Klinke in Rabat in die Hand.

Marokko – Brigitte Macron und die Schwestern von König Mohammed VI. im Elysée-Palast

Marokko ist das letzte verbliebene Land von großer Bedeutung in Afrika, das noch mit Frankreich spricht, oder besser wieder sprechen möchte.

Überall im Maghreb und in Nordafrika wurde Frankreich vertrieben oder musste sich zurückziehen, zuletzt in Mali. Das Debakel beim Versuch der Versöhnung mit der ehemaligen Kolonie Algerien belastet das Ansehen von Präsident Macron wohl dauerhaft.
Wenn Frankreich noch irgendeine Rolle in ihren ehemaligen Kolonien oder Protektoraten auf dem afrikanischen Kontinent spielen will, dann bleibt nur eine Wiederannäherung zum Königreich Marokko. Der politische Preis ist klar, eine deutliche Stärkung des marokkanischen Hoheitsanspruchs auf die Westsahara / marokkanische Sahara. Aber auch wirtschaftliche Themen stehen auf der Agenda.

Doch die Rezepte, die der amtierende Wirtschaftsminister Bruno Le Maire aus Paris zum Marokko-Frankreich Wirtschaftsforum am vergangenen Freitag (26. April 2024) mitgebracht hat, zeugten von einer weiterhin alten und wenig modernisierten Strategie, sofern überhaupt vorhanden.
Zwar wird von Partnerschaft oder Kooperation gesprochen, doch eigentlich will man nur Kredite vergeben, französische Produkte absetzen oder eigenen Unternehmen dem Markt öffnen. Es ist das alte Denken, das nicht nur Frankreich beibehalten hat, sondern das sich bei zahlreichen europäischen Staaten widerspiegelt.

Kernenergie, FIFA-WM Organisation, Solarenergie, Wasserstoff, Automobil- und Luftfahrtsektor

In zahlreichen Schlüsselbereichen des marokkanischen Entwicklungsplans möchte Frankreich, laut dem französischen Minister für Wirtschaft, Finanzen und industrielle und digitale Souveränität, Bruno Le Maire, mit Marokko zusammenarbeiten.

Marokko und Frankreich seien zwei führende Nationen in Afrika und Europa und müssen ihre Partnerschaft in mehreren vorrangigen Bereichen ausbauen, um den vielfältigen Herausforderungen der heutigen Welt begegnen zu können. Dies behauptete der französische Minister, Bruno Le Maire, in seiner Rede auf dem Wirtschaftsforum Marokko-Frankreich, das am vergangenen Freitag, den 26. April 2024, in Rabat stattfand.

Bruno Le Maire
Quelle französisches Wirtschaftsministerium – Bruno Le Maire Handels- und Wirtschaftsminister Frankreich unter Macron und Attal

Zum einen im Bereich der kohlenstofffreien Energie. Seiner Meinung nach werden die Länder, die in diesem Sektor Unabhängigkeit erlangen, „die großen Gewinner des 21. Jahrhunderts sein“. Um diese Dekarbonisierung zu erreichen, müsse man insbesondere auf die Produktion von grünem Wasserstoff setzen.

Frankreich will Kredit von 350 Mio. Euro für grünen Wasserstoff bereitstellen.

Was der französische Minister unter Zusammenarbeit versteht, machte er im weiteren Verlauf seiner Rede klar.

Damit Marokko, das über ein enormes Potenzial in diesem Sektor verfüge, weiter unterstützt werden könne, werde die französische Entwicklungsagentur (AFD) dem marokkanischen Phosphatkonzern OCP ein Darlehen in Höhe von 350 Millionen Euro gewähren, damit der Konzern „massiv in Wasserstoff, Dekarbonisierung und grüne Projekte investieren kann“, so der Minister.

Forschung und Entwicklung (FuE) stehe ebenfalls weit oben auf der Agenda der mutmaßlichen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern, und zwar durch ein Projekt zwischen dem marokkanischen Institut de recherche en énergie solaire et énergies nouvelles (IRESEN) und dem in Paris-Saclay ansässigen Beschleuniger SATT, „um angewandte Forschung und Innovationen im Bereich kohlenstofffreier Wasserstoff zu entwickeln“.

Zusammenarbeit im Bereich der Solarenergie erwünscht.

Auch im Bereich der Solarenergie möchte Frankreich mit Marokko kooperieren, insbesondere bei der Entwicklung von Photovoltaikanlagen. „Wir haben uns mit dem Präsidenten der Republik dafür entschieden, in Frankreich eine Produktionskette für Photovoltaikpaneele zu entwickeln, mit fortschrittlichen Technologien und recycelbaren Paneelen. Lassen Sie uns unser Know-how kreuzen, um in diesem Bereich zusammenzuarbeiten“, schlug Bruno Le Maire vor.
Warum hier Marokko mit Frankreich zusammenarbeiten soll, machte er nicht klar. Wenn Frankreich eine eigene Produktionskapazität für Solaranlagen entwickeln möchte, bedeutet dies, ähnlich wie im Automobilsektor, dass man Produktionsstandorte im nordafrikanischen Königreich errichten möchte, um in Frankreich preislich mit chinesischen Produkten besser mithalten zu können? Welches Angebot kann Frankreich Marokko machen, dass nicht auch China machen könnte?

Frankreich sucht Abnehmer für Mini-Kernreaktoren (SMR Small Modular Reactor)

Einen weiteren Schwerpunkt der Zusammenarbeit sieht Paris in den Stromübertragungsnetzen. Nach Angaben des französischen Ministers sei Paris bereit, „sich an der Finanzierung“ der Infrastruktur zu beteiligen, die den in Dakhla (Westsahara / marokkanischen Sahara) erzeugten Ökostrom in andere Orte in Marokko, vor allem nach Casablanca, transportieren soll.

Abgesehen davon, dass nun ein französischer Minister öffentlich bekundet, dass sein Land bereit ist, Investitionen in der Westsahara / marokkanischen Sahara mitzufinanzieren, ist damit wahrscheinlich lediglich die Möglichkeit der Kreditvergabe gemeint. Ob diese Kredite an einer Auftragsvergabe an französische Unternehmen gebunden sein könnten, wie so häufig in der Vergangenheit, blieb unerwähnt.

Auch eine Zusammenarbeit bei der Erzeugung von Kernenergie wird in Betracht gezogen. „Ich habe auch die mögliche Zusammenarbeit bei der Erzeugung von Kernenergie auf den Tisch gebracht“, sagte er und erklärte, dass Frankreich derzeit an kleineren modularen Reaktoren arbeitet und in dieser Richtung eine Zusammenarbeit mit dem Königreich anstrebt.

Dazu ist zu erwähnen, dass Marokko bereits eine Kooperation mit Russland im Bereich der Kernenergie vereinbart hat und Frankreich hier gerne in den Wettbewerb treten will. Gerade die noch nicht final entwickelten sog. SMRs soll zukünftig dazu beitragen, dass Kernreaktoren günstiger aufgestellt werden können, da das Prinzip der Serienproduktion gelten soll. Folglich fallen die Kosten pro Kernreaktor, immer noch im Milliarden Euro Bereich, je mehr SMRs gebaut werden. Marokko hat in der Vergangenheit Interesse an der Kernenergie gezeigt und wurde von Europa zurückgewiesen, weil auch mehrerer Länder aus der Kernenergie ausgestiegen sind. Eine Kooperation mit Marokko, wahrscheinlich ein Kauf von SMRs durch das Königreich, würde die Produktionskosten auch für Frankreich senken. Ob sich dies für Marokko wirtschaftlich lohnt, bleibt abzuwarten. Dabei ist zu bedenken, dass ein Teil der Gesamtkosten der Kernenergie, abgesehen von einer sicheren Kühlung durch Süßwasser, in der Endlagerung von Kernmaterial liegen wird. Frankreich könnte im Rahmen einer Partnerschaft danach streben, ein Endlager auch für eigene Brennstäbe in den Wüsten Marokkos einzurichten. An dieser Stelle sei die militärische Komponente der Kernenergie nicht angesprochen.

Finanz- und Industriesektor

Darüber hinaus sprach Bruno Le Maire über eine mögliche Zusammenarbeit bei Finanzinvestitionen zwischen dem Fonds Mohammed VI pour l’investissement (FM6I) und der Banque publique française d’investissement (BPI) sowie über eine engere Partnerschaft in der Automobil- und Luftfahrtindustrie, insbesondere im Bereich der Elektromobilität.

Schließlich schlägt der Minister vor, „eine französisch-marokkanische Arbeitsgruppe einzurichten, um gemeinsam an der Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft 2030 zu arbeiten“, die von Marokko mitorganisiert werden soll.

Wer profitiert von einer engeren Kooperation zwischen Frankreich und Marokko?

Frankreich ist bei der Anzahl der in Marokko tätigen Unternehmen und der Direktinvestitionen weiterhin der wichtigste Wirtschaftspartner des Königreiches, auch wenn Spanien inzwischen der wichtigste Handelspartner für das nordafrikanische Land ist.

Doch in der Vergangenheit haben französische Unternehmen das nordafrikanische Land als zusätzlichen Absatzmarkt betrachtet oder zuletzt als günstigen Produktionsstandort. Über Jahrzehnte wurde eine große politische Abhängigkeit geschaffen, in dem man gerne Kredite vergeben hat. Hinzu kam, dass die Elite des Königreiches meist in Frankreich ausgebildet wurde und nicht selten die französische Sprache besser beherrscht, als das arabische.

So konnte Frankreich viel Geld in und an Marokko verdienen. Sei es beim Verkauf von Fahrzeugen, Elektronik oder Rüstungsgüter. Auch zahlreiche Versorger verdienen in Marokko gutes Geld, in dem Sie Strom- oder Wasser verfügbar machen.
Lange ging in Marokko nichts, wenn nicht ein französisches Unternehmen den Auftrag bekam.

Doch seit der Thronbesteigung von König Mohammed VI., und der Politik der diplomatischen Diversifizierung, hat sich dies geändert. Neue Akteure traten auf den Plan, allen voran die USA, die Golfstaaten, die Türkei, China und zuletzt Israel. Aber offenbar ist dies in Frankreich, trotz einer zweijährigen diplomatischen Krise, nicht angekommen. Wieder kommt ein französischer Minister ins Land, präsentiert sich als vermeintlicher Helfer bei der Entwicklung und bietet meist doch nur Projekte zum Wohle Frankreichs an, noch dazu kreditfinanziert.

Echte Partner sind Investoren und keine Kreditgeber.

Marokko braucht aber keine Kredite, sondern echte Partner, die mit ins Risiko gehen, z.B. die vermeintlich wichtigste Energiequelle der Zukunft, grüner Wasserstoff, zu produzieren und in einer Win-Win-Situation gemeinsam zu profitieren.
Gerne will man in Europa (z.B. Frankreich oder Deutschland) Wasserstoff aus Marokko, Anschluss an eine Gas-Pipeline oder von Stromnetzen, aber ohne das Eingehen eines echten unternehmerischen Risikos.
Lieber gibt man Kredite und wenn sich die Projekte nicht gelohnt haben oder eine Investition scheitert, braucht man die Produkte nicht abzunehmen und kann dann Kredite noch zurückfordern. Ist das Projekt erfolgreich, tritt man als wichtigster oder einziger Kunde auf und kann so Abnahmemengen und Preise zum eigenen Nutzen beeinflussen.

Das ist keine Kooperation, das ist Denken nach alten Mustern. Frankreich und andere mutmaßliche Partner könnten sich die Frage stellen, warum Marokko dies mitmachen sollte. Was würde mit der europäischen Industrie passieren, wenn ein Land wie Marokko es schafft, z.B. aus eigenen Mitteln, mit Hilfe der USA, China, Russlands oder Israels, eine Wasserstoffindustrie aufzubauen, darüber hinaus keine Pipeline nach Europa baut und mit günstiger grüner Energie und Steuervorteilen sich der europäischen Industrie als Standort anbietet?
Die USA zeigen gerade, welche Sogwirkung eine solche Politik der günstigen Energiekosten haben kann. Ist es da nicht besser, wenn sich die Europäer ernsthaft engagieren und Beteiligungen an gemeinsamen Unternehmen erwerben, z.B. bei der Marokko-Nigeriapipeline, bei Bau von neuen Solar- und Windparks sowie neuen Stromtrassen?

Was behindert beispielsweise den deutschen Automobilkonzern VW dabei, es Renault nachzumachen, und günstige Elektrofahrzeuge in Marokko zu produzieren und die Elektromobilität so breiter erreichbar zu machen, auch vor Ort in Marokko oder Afrika? Wieso müssen Pharmakonzerne im fernen Indien oder China Grundmedikamente wie Antibiotika oder Schmerzmittel produzieren, wenn man mit einem Standort Marokko viel näher produzieren könnte und dabei auch noch den afrikanischen Markt erschließen würde? Ist Indien so viel billiger?
Zweifel an der politischen Stabilität können es kaum sein, mit Pakistan und Indien stehen sich in der Region zwei Atommächte feindlich gegenüber, in denen zunehmend undemokratische Kräfte die Politik bestimmen. China ist ebenfalls keine Demokratie, aber natürlich ein riesiger Absatzmarkt, der sich aber zunehmend selbst versorgen kann.

Marokko benötigt echte Investoren und keine Kreditgeber. Das Land benötigt Berufsschulen und Arbeitsplätze für junge Menschen, die im Land verbleiben und nicht von Frankreich abgeworben werden, um den eigenen Fachkräftemangen abzubauen. Es ist Zeit für echte Kooperationen Herr Minister Le Maire und neue Rezepte für einen gemeinsamen ökologischen Wohlstandanstieg. Seien Sie ein echter mutiger Partner und kein Verkäufer von französischen Ladenhütern wie Mini Reaktoren oder Krediten!

Marokko – Deutschland nimmt strategisches Potential im Königreich mehr wahr.

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