StartKommentarMarokko – Deutschland sucht Migrationspartnerschaft mit Marokko und ist eigentlich nicht vorbereitet.

Marokko – Deutschland sucht Migrationspartnerschaft mit Marokko und ist eigentlich nicht vorbereitet.

Die uninspirierte Strategie mit großem Potential zu scheitern.

Nach Innenministerin Nancy Faeser besucht auch die deutsche Ministerin Svenja Schulze Rabat. Gespräche zur weiteren Zusammenarbeit im Kontext eines möglicherweise bevorstehenden Migrationsabkommens. Kompliziertes Verhandlungsfeld mit Chancen und Risiken für beide Länder. Ist Deutschland vorbereitet auf Migranten aus Marokko?

Rabat – Das nordafrikanische Königreich Marokko scheint in der deutschen Politik auf mehreren Feldern eine größere Bedeutung zu bekommen. So hofft man, auf eine neue Bezugsquelle für „grünen Wasserstroff“, enger Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Drogenkriminalität sowie gegen den Terrorismus und natürlich wünscht man sich in Berlin eine Kooperation in den Bereichen Migration und Fachkräftemangel.

Seit Ende Oktober 2023 reisten mehrere hochrangige Politiker und Ministerinnen der Bundesregierung nach Marokko. Ende letzten Jahres (Oktober 2023) reiste Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Sonderbeauftragte für Migrationsvereinbarungen, Joachim Stamp (FDP), gemeinsam an der Spitze einer größeren Delegation nach Marokko, um über ein mögliches Migrationsabkommen zu verhandeln.

Vergangenes Jahr musste die deutsche hochrangige Delegation sich mit Absichtserklärungen und Zusagen Marokkos begnügen, die eine Bereitschaft zum Dialog beinhalteten.

Für Deutschland und weitere Länder der EU bedeutet „Migrationsabkommen“ vor allem Rückführung von irregulär eingewanderten Menschen ohne Bleibeperspektive, aber auch die Übernahme von Aufgaben zur Abwehr von Migrationsbewegungen, Stichwort Auffanglager, sowie den Zugriff auf ausgewählte Fachkräfte.

Dazu war Marokko bisher nicht bereit, weshalb man inzwischen auch nicht mehr von einem Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Marokko spricht.

Am letzten Wochenende teilte die deutsche Innenministerin Faser mit, dass weitere Abkommen mit mehreren Ländern vor einem Abschluss stehen würden, darunter auch mit Marokko.

Am vergangenen Dienstag reiste der Sonderbeauftragte für Migrationsvereinbarungen, Joachim Stamp nach Marokko, um weitere Gespräche zu führen.
Am gestrigen Donnerstag (25. Januar 2024) führte die deutsche Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze (SPD), Gespräche in der marokkanischen Hauptstadt Rabat.

Außenminister Nasser Bourita empfängt Bundesministerin Svenja Schulze.

Wie das marokkanische Außenministerium bestätigte, hat Außenminister Nasser Bourita am vergangenen Donnerstag Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, empfangen.

Wie die marokkanisch-staatliche Nachrichtenagentur MAP berichtet, lobte die deutsche Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, am Donnerstag in Rabat die Beziehungen zwischen dem Königreich Marokko und Deutschland.

„Unsere Partnerschaft ist in der Tat stark“, habe Ministerin Schulze nach ihrem Gespräch mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Afrikanische Zusammenarbeit und marokkanische Auswanderer, Nasser Bourita, vor der Presse gesagt. Über mehr wurde in den marokkanischen Medien kaum berichtet.

Die deutsche Ministerin wies darauf hin, dass die Gespräche Themen von gemeinsamem Interesse betrafen, darunter Migrationspolitik, Klima und Energie.

Bundesministerin Schulze habe ihren Wunsch betont, die Zusammenarbeit mit dem Königreich in diesen Bereichen zu vertiefen, so die Meldung abschließend.

Deutschland muss auf Augenhöhe mit Marokko verhandeln.

Eine Migrationspartnerschaft, wie es jetzt im Zusammenhang mit Marokko offiziell heißt, hat, bezogen auf die Rückführung von irregulär eingereisten Migranten, rein technisch kaum Auswirkung auf die Situation in den Kommunen. Derzeit sollen zwischen 800 und 1000 Personen auf ihre Abschiebung nach Marokko warten.
Das Königreich hat bereits zugesagt, die Verwaltungsverfahren für Reisedokumente zu beschleunigen, denn nicht selten ist die Identität und Staatsangehörigkeit zu prüfen.

Deutschland wünscht sich aber auch Zugriff auf Fachkräfte, insbesondere für das Gesundheitssystem und Pflegeeinrichtungen, die das Königreich aber eigentlich selbst benötigt, da der „Sozialstaat“ gerade im Aufbau ist, dessen wichtigste Säule die allgemeine Krankenversicherung darstellt, und der Gesundheitssektor daher zunehmend Personalsorgen haben wird.
Damit hat Deutschland kein Druckmittel gegen Rabat, was in Berlin auch verstanden worden ist, weshalb Innenministerin Faeser bei ihrem Besuch in Marokko nicht müde wurde zu betonen, dass man auf Augenhöhe die Gespräche führen würde.

Marokko – Innenministerin Faeser kehrt ohne große Ergebnisse aus Marokko zurück

Deutschland muss Anreize schaffen.

Daher muss Berlin Anreize schaffen. Aber was könnte Marokko von Deutschland haben wollen?

In erster Linie Investitionen von deutschen Unternehmen in die Industrie des Landes, die Arbeitsplätze schaffen, sowie Unterstützung beim Aufbau eines modernen und effizienten Gesundheitswesens. Zugleich benötigt Marokko Unterstützung beim weiteren Ausbau der „erneuerbaren Energien“.
Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie und der weltweiten Inflation haben die Entwicklung in Marokko ausgebremst. Doch auch der Klimawandel hat das Land fest im Griff. Marokko leidet unter einer schweren Dürre und die Lösung scheint in der Meerwasserentsalzung zu liegen. Dabei setzt das Land bisher auf israelische Filtertechnik aber auch deutsches Wissen wäre willkommen.
Da aber Meerwasserentsalzung energieintensiv ist und der Preis für gewonnenes Wasser zur Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger passen muss, kann die Zukunft nur im Ausbau der „erneuerbaren Energie“ liegen und dies möglichst schnell.
Auch Investitionen in modernes Wassermanagement gehören dazu.

Vor diesem Hintergrund passt der Besuch von Bundesministerin Svenja Schulze eigentlich ganz gut, insbesondere wenn deutsche Investitionen nicht in Form von Krediten erfolgen, wie bisher über die KfW, sondern als Joint Venture, z.B. in Verbindung mit der Produktion von grünem Wasserstoff, den die deutsche Industrie benötigt. Bisher hinkt Deutschland hinter Investitionen aus Frankreich und Großbritannien, Indien, Japan oder den V.A.E weit hinterher.

Daher könnte es auch sinnvoll sein, dass Wirtschaftsminister Harbeck, an der Spitze einer hochrangigen Delegation der deutschen Energiewirtschaft in das Land reist, und das Potential bewertet.

Natürlich wünscht man sich in Rabat auch engere Kooperationen bei den Sicherheitsdiensten, Ausbildungskooperationen für die jungen Menschen oder einen größeren Zugang marokkanischer Waren zum deutschen und europäischen Markt. Aber davon ist bisher nichts zu hören gewesen.

Politische Unterstützung.

Ein weiteres und im nordafrikanischen Königreich sicherlich hoch geschätztes politisches Angebot könnte darin bestehen, dass Deutschland seine Unterstützung für Marokkos Hoheitsanspruch auf die Westsahara / marokkanische Sahara erweitert und deutlicher formuliert.

Außenministerin Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) konnte kurz nach ihrem Amtsantritt eine schwere diplomatische Krise zwischen Berlin und Rabat auflösen, indem sie während eines Besuchs in der marokkanischen Hauptstadt den aus 2007 stammenden marokkanischen Autonomieplan für die Westsahara / marokkanische Sahara als Lösung, im Rahmen eines von der UNO geführten Prozesses, nicht mehr ausschloss, anders als ihr Vorgänger Heiko Maas (SPD).

Hier könnte man sich in Rabat wünschen, dass man in den deutschen Formulierungen sich zumindest der spanischen Haltung annähert.
Spanien bewertet den Autonomieplan als realistischste Lösung für diese Frage. Der Konflikt um den Hoheitsanspruch Marokkos auf die Region der Westsahara / marokkanischen Sahara ist ein Relikt der Kolonialzeit und Quelle der diplomatischen Krise mit Algerien sowie für die derzeit auch bewaffnet geführte Auseinandersetzung mit der Frente Polisario, die einen unabhängigen Staat mit algerischer Unterstützung in der Westsahara errichten will.
Die Unterstützung für die Position Marokkos wächst seit Jahren, nicht nur innerhalb der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union oder dem Golf Kooperationsrats, sondern auch durch die Anerkennung des Hoheitsanspruchs durch die USA und Israel sowie positive Haltung Frankreichs, Spaniens, der Benelux, Österreich (innerhalb der EU) sowie Großbritanniens.

Sollte sich Deutschland etwas stärker auf Marokkos Seite stellen, droht allerdings ein diplomatischer Streit mit Algerien, einem wichtigen Lieferanten von Gas und Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.
Hier genügtes es, einen Blick auf die Reaktionen Algiers nach der Änderung der spanischen Position im April 2022 zu werfen, die eine diplomatischen Eiszeit zwischen Algier und Madrid auslösten, die jetzt erst wieder abklingt.

Migrationspartnerschaft ohne schriftliches Abkommen. Bundesregierung läuft in die Falle der Populisten.

Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser verkündete erst in dieser Woche mutmaßlich erfolgreiche Verhandlungen mit Marokko in der Frage der irregulären Migration. Dabei musste sie aber konkretisieren, dass es sich, nicht um ein schriftlich fixiertes Abkommen handelt, sondern um eine abgesprochene Partnerschaft.
Auf der Webseite des BMI heißt es gar „Bundesregierung vereinbart enge Migrationszusammenarbeit mit Marokko“.
Was tatsächlich konkret vereinbart wurde, skizziert das BMI in seiner Erklärung. Dort heißt es weiter: „Beide Länder haben eine gemeinsame bilaterale Arbeitsstruktur vereinbart. In enger Zusammenarbeit werden zwischen den Regierungsstellen laufend alle Maßnahmen besprochen, die der Sicherheit beider Länder dienen, gesteuerte Arbeitsmigration ermöglichen und Rückführungen von marokkanischen Staatsangehörigen ohne Bleiberecht in Deutschland erleichtern. Neben Facharbeitsgruppen zu diesen Themen wird sich eine Steuerungsgruppe regelmäßig treffen und die Partnerschaft fortentwickeln.“

Das klingt nicht so, als wären alle Punkte geklärt und Deutschland könnte schon morgen die Flugzeuge füllen. Vor den Wahlen im Osten des Landes und auf der Ebene der EU sicherlich eine positive Nachricht, aber bisher wohl auch nicht mehr. Es erscheint auch fraglich, ob die aktuelle Bundesregierung wirklich verstanden hat, worin das Problem in der eigenen Gesellschaft besteht.

Natürlich sind die Kommunen oft überfordert, wenn es, um die Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen geht (nicht alle), doch diese Menschen kommen kaum aus Marokko, sondern aus der Ukraine, Afghanistan oder der Türkei. Zugleich füttert man das Narrativ der Populisten am rechten und zukünftig vielleicht auch am linken politischen Rand, die die Flüchtlings- und Migrationssituation zum Quell allen Übels gemacht haben, obwohl jedes Jahr weniger Migranten nach Deutschland kommen, wie das Land eigentlich benötigt, um sich dem demographischen Wandel entgegenstellen zu können.

In den letzten beiden Jahrzehnten, hat sich die wirtschaftliche Lage für große Teile der Bevölkerung nicht verbessert, teils sogar deutlich verschlechtert. Die Lohnentwicklungen blieben hinter der Produktivität zurück, es fand durch Steuergesetze eine deutliche Umverteilung des Wohlstands zugunsten von höheren sozialen Schichten statt, Arbeitsleistung wird stärker besteuert als Erträge aus Kapital und Deutschland gilt als „Niedriglohnland“. Die COVID-19 Pandemie, der Krieg in Europa und die daraus resultierende Inflation gaben den einkommensschwächeren Schichten jetzt den Rest.

Anstatt an diesen Stellschrauben zu drehen, mehr Bevölkerungsschichten einen größeren Anteil am erwirtschaften Wohlstand zu gewähren, Zukunftsängste zu mildern und das Vertrauen der einfachen Bevölkerung in den Rechtsstaat zu stärken, werden Kommunen kaputtgespart, ihnen immer mehr Aufgaben auferlegt, Steuervergünstigungen nicht abgebaut, sondern noch erweitert, vondenen vor allem Besserverdiener profitieren und selbst aus der Ecke der Sozialdemokratie wird mit Ängste vor einer weiteren Verschlechterung der persönlichen Situation gespielt, damit man der Wirtschaft weiter entgegenkommt kann, die angeblich ständig wegen den mutmaßlich so schlechten Rahmenbedingungen ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Es ist eben einfacher, wenn man nicht auf diese komplexen Zusammenhänge hinweist, sondern den oder die „Fremde“ zur Belastung erklärt, ohne diese es allen besser gehen würde. Na dann her mit den Migrationsabkommen und raus mit den „Ausländern“. Dann wird alles wieder schön.

Die uninspirierte Strategie mit großem Potential zu scheitern.

Bei dem kürzlich erfolgten Besuch von Bundesministerin Schulze, in Begleitung von Frau Reem Alabali-Radovan, Staatsministerin der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge Integration und Antirassismus, zeigte sich das ganze Elend der Strategie Deutschlands, bei der Bekämpfung der irregulären Migration, der Vermittlung der eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten in der eigenen Bevölkerung und bei der „Gewinnung“ von ausländischen Fachkräften, z.B. in Marokko.

Seit Jahrzehnten wird nicht mutig Investiert. Im Rahmen der Reise nach Marokko, besuchte die deutsche Bundesministerin und ihre Staatssekretärin auch Projekte im Kontext der Migration. Zum einen eine Anlaufstelle für migrationswillige Menschen und zum anderen, um in Deutschland abgelehnte marokkanische Migranten zu befähigen, neue Chancen im Königreich zu ergreifen. Es handelt sich um ein Projekt, dass „Rückkehrer“, also Ausgewiesene, zu ihren Chancen in Marokko beraten soll, so die Ministerin und ihre Mitarbeiterin in einem Videostatement auf dem Kanal X (Twitter).

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Mal abgesehen davon, woher das Wissen und die Kompetenz in von Deutschland eingerichteten Beratungszentren zu den Chancen in Marokko kommen soll, kann man davon ausgehen, dass diese Menschen migriert sind, nachdem ihre Suche nach Chancen wenig erfolgreich gewesen ist.
Man darf also gespannt sein, welche Informationen oder Weisheiten man diesen in Deutschland abgelehnten Migranten durch ein solches Beratungszentrum vermittelt kann. Zumindest wird man nicht all zu viel zu tun haben, bei aktuell 800 bis 1.000 ausreisepflichtigen Migranten.

Noch deutlicher wurde die wenig durchdachte Strategie, durch ein Statement auf X (Twitter) zum Besuch des deutschen Goetheinstituts in Rabat. Frau Staatssekretärin Reem Alabali-Radovan lobte eine marokkanische Kinderkrankenschwester für die binnen vier Monaten erworbenen Deutschkenntnisse und für den „Traum“ vielleicht nach Deutschland migrieren zu können.
Das klingt zunächst ganz nett und harmlos, doch Deutschland würde damit eine Fachkraft aus Marokko abwerben, die mit marokkanischen Steuermitteln ausgebildet wurde, die bereits eine Perspektive in Marokko hat, da sie ja schon Kinderkrankenschwester ist, und damit das vermeintliche Partnerland Marokko unmittelbar schwächen sowie beim Aufbau eines leistungsfähigen Gesundheitswesens behindern.

Migration
Quelle X – Frau Reem Alabali-Radovan, Staatsministerin der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge Integration und Antirassismus in Marokko lobt Teilnehmerin eines Sprachkurses

Warum investiert Deutschland nicht partnerschaftlich in eine Akademie für Krankenschwestern, finanziert entsprechende Bildungswege mit Fokus auf das deutsche Gesundheitswesen (auch in deutscher Sprache) mit und öffnet dann die Möglichkeit zur Migration?

Solche Programme wären ein Ausdruck von Partnerschaften, da das Partnerland ebenfalls von der Ausbildung profitieren könnte oder zumindest nicht alleine volkswirtschaftlich auf den Investitionskosten in die Ausbildung sitzen bleibt.

Genauso könnte man dabei helfen, die Arbeitslosigkeit von jungen Akademikern zu reduzieren, die in Marokko unter einem schwierigen Zugang zum Arbeitsmarkt leiden, in dem diese für den deutschen Arbeitsmarkt final qualifiziert werden, inkl. Migrationsangebot bei erfolgreichem Abschluss, anstatt fertige Fachkräfte abzuwerben.
Denn in Deutschland werden ja nicht nur Fachkräfte im Gesundheitswesen oder in der Pflege benötigt, sondern zunehmend in der Verwaltung, im Versicherungswesen, der IT, dem Handwerk und zukünftig auch in der Produktion, vor allem wenn man aus strategischen Gründen die Herstellung von Produkten aus China zurückholen will. Vom Bauwesen und der Bekämpfung der Wohnungsnot mag man kaum sprechen.
Wenn die deutsche „Anti-irreguläre Migrationspolitik“ zu einer proaktiven und positiven Migrationspolitik gewandelt werden soll, dann muss man das Wort Partnerschaft ernstnehmen und nicht nur das berühmt – berüchtigten Rosinenpicken anstreben und dann auch noch darüber bei X (Twitter) posten.

Lehren aus der Vergangenheit.

Wie erleben gerade in Deutschland und zuvor schon in Frankreich, Italien, Norwegen, Dänemark und Italien sowie Polen, dass die aktuelle Migrationsdebatte und Migrationspolitik, durch die Angst vor dem Fremden, Ablehnung auslöst, rechte und nationalistische Kräfte stärkt sowie die Chanc auf erfolgreiche Integration gefährdet.

Die nicht selten zurecht als gescheitert bezeichnete Integration der ersten Einwanderergeneration, die bis heute als Gastarbeiter betitelt werden, sollte allen eine Lehre sein.

Wer sich die Aussprache des deutschen Bundestages zum neuen Einbürgerungsgesetz angesehen oder angehört hat, erlebte eine für Menschen mit Migrationshintergrund ernüchternde, ja teils verletzende Debatte mit Wortbeiträgen aus dem rechten und konservativen politischen Lager, die in den Enthüllungen des Netzwerks Correctiv über mutmaßlichen „Remigrationspläne“ der AfD, die auch Bürgerinnen und Bürger mit einer „Doppelten Staatsbürgerschaft“ einschließen sollen, ihre Konkretisierung fanden. Auch in Marokko wurden die Berichte kritisch aufgenommen und Ministerin Schulze musste sich bei einem Treffen mit Arbeitsminister Sadiki dazu äußern. Sie betonte, dass diese mutmaßlichen Positionen und das Thema „Remigration“ nicht in der Mitte der Gesellschaft verankert seien. Dennoch bleibt bei den marokkanischen Verantwortlichen Sorge um ihre Bürgerinnen und Bürger zurück, sowohl für die, die bereits in Deutschland leben, wie auch für die, die noch migrieren sollen. Das Image Deutschlands leidet in der Welt und für die Ministerin war dies sicherlich kein angenehmer Moment.

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Man stellt sich auch unweigerlich die Frage, ob in diesen Köpfen auch nur ein Gedanke daran verschwendet wurde, was es bedeutet, wenn alle „Migranten“, „Ausländer“ oder „Gastarbeiter“, wie auch immer diese Menschen in diesen Kreisen benannt werden, auch nur einen Tag ausfallen?

All die Polen, Ungarn, Türken, Marokkaner, Tunesier, Griechen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Japaner, Chinesen, Inder usw. nicht mehr zur Arbeit in ihren eigenen Geschäfte und Unternehmen gehen, die Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken auf ihre Ärzte, Fachangestellte, Verkäufer verzichten müssten, wie viele Bänder in den Fabriken, in den Häfen und Flughäfen stillstehen würden, wie viele Räder bei der Deutschen Bahn, den Taxiunternehmen, Stadtwerken, im öffentlichem Nahverkehr sich nicht mehr drehen würden, wie viele Flugzeuge wegen fehlenden Piloten oder Flugpersonal am Boden bleiben, wie viele IT-Systeme wegen fehlender Administratoren und Techniker ihren Dienst einstellen müssten, wie viele Nachrichten- und TV- bzw. Radiosendungen ausfallen würden, wie viele Zeitungen nicht erscheinen könnten, wie viele Gerichtsverhandlungen wegen Richter- oder Anwältemangel verschoben werden müssten, wie viele Polizisten nicht mehr zur Hilfe kommen, ja wie viele Sitze im deutschen Bundestag, in den Landtagen und Gemeinden leer blieben, wie viele Mütter und Väter ohne Migrationshintergrund nicht zur Arbeit gehen könnten, weil ihre Kinder nicht in den Kitas oder Schulen betreut werden würden. Vielleicht hätte ein solcher „ausländerfreie Tag“ auch verhindert, dass der Impfstoff gegen COVID-19 gefunden wäre.  Soviel zum Thema Migranten als Belastung.

Der gepackte Koffer

Mit dem Begriff Gastarbeiter hat man diesen Menschen stets das Gefühl vermittelt, dass sie wieder gehen müssen und entsprechend saßen diese Menschen stets kognitiv und psychisch auf gepackten Koffern, zusätzlich ausgeschlossen in Wohnheimen und ohne ernsthafte Angebote sie zu integrieren und nur selten aufgenommen von ihren Nachbarn oder den Gemeinden, insbesondere dann, wenn diese Menschen aus muslimisch geprägten Ländern kamen, wie die Türkei, Tunesien oder Marokko und es sei daran erinnert, dass der Gastgeber die Einladung aussprechen sollte und nicht der Gast darum bitten muss, eingeladen zu werden, falls jetzt der Gedanke bei dem ein oder anderen Leser aufkam, dass sich die Migranten ja integreren müssen.
Vor diesem Hintergrund sei ausdrücklich der aktuellen Bundesregierung dafür gedankt, dass sie das neue Einbürgerungsrecht, bei aller Verschärfung der Voraussetzungen, zumindest für die erste Einwanderergeneration erleichtert haben. Dies ist ein wichtiges Signal, dass auch auf die Folgegenerationen ausstrahlen wird.

Ja natürlich gibt es Menschen, die es Ablehnen sich an neue Gegebenheiten anzupassen und sich Wege des Zusammenlebens verweigern. Das gilt für den Migranten, der beobachtete Lebensweisen in seiner „neuen Heimat“ ablehnt, genauso wie für den „Deutschen“, der beispielsweise in ein islamisches Land reist und dort sein Schweinfleisch oder sein abendliches Bier erwartet.

Man erinnere sich an die Diskussionen im deutschen Bundestag in Bonn unter Helmut Kohl in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wo sogar Kopfprämien angeboten wurden, für jeden von diesen Menschen, die das Land verlassen würden, gleich ob die Kinder in Deutschland geboren waren oder zur Schule gingen.
Diese Menschen sind in jungen Jahren aus weit entfernten Ländern gekommen, weil sie hier zur Erwirtschaftung von Wohlstand gebraucht wurden, mit dem Versprechend dann selbst zu Wohlstand zu kommen. Sie haben ihre „Wurzeln“ aus dem Boden ihrer Gesellschaften gerissen, ohne dass es ihnen gelungen war, diese Wurzeln wieder in diesem Land einzupflanzen, auch weil es lange nicht gewünscht wurde. Das hatte den Effekt, wie man diesen bei japanischen Bonsai–Bäumen her kennt, sie bleiben entwurzelt, klein und bemühen sich den Status zu erhalten, um zu überleben. Heute nennt man dies in Deutschland „Parallelkulturen“ oder Parallelgesellschaften.

Viele von ihnen, sofern sie noch leben, haben ihr Kräfte, ihre Träume, ihren Fleiß und nicht selten ihre Gesundheit ebenfalls in den Aufbau eines der reichsten Länder der Welt eingebracht, in der Industrie am Hochoffen, im Bergbau unter Tage, im öffentlichen Dienst in der Straßenreinigung, in der Landwirtschaft bei der Ernte oder der Gastronomie in der Küche oder als Reinigungskraft. Nicht selten bei Tätigkeiten, die „Deutsche“ nicht annehmen wollten. Es steckt in vielen dieser Seelen bis heute ein Gefühl der Ablehnung und dieser „Schmerz“ ist auch an die nächste Generation weitergegeben worden. Sie waren über Jahrzehnten rassistischen Angriffen ausgesetzt, haben Ablehnung und Häme, z.B. bei Verwaltungen oder den Ermittlungsbehörden erlebt und haben es nachgewiesen auf dem Arbeitsmarkt, der Wohnungssuche oder in den Bildungseinrichtungen schwerer.
Diese Erfahrungen müssen berücksichtigt und die Gesellschaft in Deutschland muss auf Menschen, auch aus dem islamischen Raum, vorbereitet werden. Wenn man sie nicht will, dann darf man sie auch nicht holen undmuss dann auch mit den Folgen leben.

Willkommenskultur heißt nicht, dass jeder kommen kann und soll, dieser Position sei nicht widersprochen, aber wenn man im Rahmen von Migrationspartnerschaften meist junge Menschen dazu ermutigt, ihre Familien zu verlassen und ihre Wurzeln herauszuziehen, dann sollte man diese Menschen auch willkommen heißen und ihnen die Möglichkeit der Einpflanzung dieser Wurzeln geben, in der Hoffnung auf etwas Neues und Bereicherndes. Diskussionen über Remigration sind da nicht hilfreich im Wettbewerb um die Leistungswilligen und klugen Köpfe.

Dazu bedarf es nicht nur einer anderen Sprache, denn „Fachkräfte“ ist typisch Deutsch ein technischer Begriff, sondern eine Akzeptanz der Ansiedlung von Menschen, die sich zum eigenen Wohl aber auch zum Wohl Deutschlands ansiedeln wollen.

Dies muss auch umfassend vorbereitet werden, durch politische und wirtschaftliche Brückenköpfe und Strukturen in die Herkunftsländer hinein. Es bedarf Investitionen in Anlaufstellen auf der Ebene des Bundes, der Länder und vor allem der Kommunen mit Personal, die z.B. mindesten grundlegende Fremdsprachenkenntnisse z.B. in Englisch oder Französisch haben. Deutsch ist nun mal keine Weltsprache und nicht jedem kann man gleich zu Beginn eine Sprachkenntnis auf dem Niveau des Amtsdeutsch abverlangen. Nicht mal hier geborene verstehen die Sprache der Behörden und Ämter zuverlässig.
Es bedarf auch Netzwerke zwischen den Bildungseinrichtungen, z.B. den Universitäten, die deutsche Wirtschaft muss Strukturen schaffen, die mehr Möglichkeiten haben und nicht nur als Einbahnstraßen wie die AHKs agieren können. Es bedarf eines Austausches von Führungskräften zwischen kooperierenden Konzernen, Unternehmen und Behörden, um Menschen mit einer Brückenfunktion auszubilden. Die Liste lässt sich noch verlängern.

Aktuelle Migrationsdebatte löst Gegenbewegung aus.

Die aktuelle Migrationsdebatte in Europa und natürlich auch in Deutschland löst in den Familien der Migranten in Deutschland eine schwierige Diskussion aus, die auch in Länder wie Marokko hineingetragen wird.

Der virtuell gepackte Koffer der ersten Migrationsgeneration aus den 1960iger Jahren, wird von ihren Kindern und Enkeln inzwischen ebenfalls gepackt.
Dies gilt besonders in Ländern wie Benelux oder eben Frankreich aber auch zunehmend in Deutschland.
Gerade gut ausgebildete Nachkommen der Migranten diskutieren, ob es in Europa bald eine Situation oder eine Stimmung geben wird, die es unerträglich und unmöglich macht, in diesen Ländern zu leben oder sie sich besser darauf vorbereiten sollten, im Zweifel flexibel reagieren zu können, z.B. indem Vermögenswerte mobil gehalten werden. Dabei schauen viele zeitlich nicht weit in die Zukunft, sondern die anstehenden Europawahlen wie auch die Landtagswahlen werden bereist kritisch beobachtet und könnten einen Kipppunkt darstellen.

So berichtete das marokkanische Nachrichtenmagazin Telquel in einem Leitartikel ihrer Ausgaben vom 22. Dezember 2023 mit dem Titel „Disapora: le grand retour“ (Dispora – die große Rückkehr) von entsprechenden Überlegungen von Menschen mit Migrationsgeschichte nach Marokko zurückzukehren. Auf der einen Seite wird auf die zunehmend ablehnende Stimmung in vielen Ländern hingewiesen und zugleich die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen im nordafrikanischen Königreich erläutert, die als Anreiz für Rückkehrer dienen könnten.

Wenn Länder wie Deutschland es nicht schaffen, ihre Gesellschaften glaubwürdig darüber aufzuklären, dass Migranten nicht insgesamt die Quelle allen Übels, des Kaufkraftverlustes, der Umverteilung von Wohlstand, der Inflation oder von Terrorismus sind, sondern eine Gesellschaft auch stärken können, also auch eine Chance darstellen, dann wird man zum Erhalt des eigenen Wohlstands nicht nur um „Fachkräfte“ aus dem Ausland werben, sondern auch mit einem Abfluss von Wissen und Arbeitskraft sowie des Wohlstands / Vermögens der bereits bestehenden Diaspora rechnen müssen. Welche Folgen dies haben kann, sollte man gerade in einem Land wie Deutschland und angesichts seiner Geschichte nicht erklären müssen. Alle Beteiligten müssen beginnen, in größeren Dimensionen zu denken und nicht in alten Gewohnheiten zu verfallen, die sich darauf fokussieren, das kleine Eckige in das noch kleinere Runde zu bekommen, sondern es müssen Sichtweisen und Einstellungen her, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob etwas rund oder eckig ist, sondern es einfach passt, z.B. als Dreieck. Im Sinne einer Migrationspartnerschaft genügt es eben nicht, einen Weg zu finden, Menschen abschieben zu können und dies sollte eigentlich klar sein, wenn man den möchte.

Die Wahlchancen der etablierten Parteien bei den kommenden Wahlen könnten nicht (nur) davon abhängig sein, welche kurzfristigen Abschiebezahlen erreicht werden, sondern eher davon beeinflusst werden, ob ein gemeinschaftliches und glaubwürdigen Konzept für die Zukunft erarbeitet werden kann, das auf eine spürbare Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände hinarbeitet. Denn den meisten potentiellen Wählern der Parteien an den Rändern geht es genau darum und nicht um das Feindbild „Migrant“.

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