Gemeinsam mit Joachim Stamp reist Innenministerin Nancy Faeser zu Gesprächen zum Thema Migration in das nordafrikanische Königreich Marokko.
Berlin / Rabat – Der Innenpolitische Druck auf alle Parteien steigt, weil die Zahl der irregulären Migrantinnen und Migranten auf einem sehr hohen Niveau angekommen ist und immer mehr Kommunen von Überforderungen berichten, wenn es um die Aufnahme und Versorgung der Menschen geht.
Die letzten Wahlen in Hessen und Bayern sowie die aktuellen politischen Umfragen zeigen deutlich auf, dass die Bevölkerung Maßnahmen vor allem von den Regierungsparteien erwarten, die die Zahl der Migranten reduzieren, ansonsten droht ein weiterer politischer Rechtsruck zu Gunsten der AfD.
Als Maßnahmen ergreift die Bundesregierung neben der Ausweitung von Grenzkontrollen Gesetzesänderungen, die die Abschiebungen bzw. Rückführungen von Flüchtlingen oder Asylanten vereinfachen sollen. Das Gesetzespaket der Innenministerin Faeser passierte gerade das Kabinett.
Doch allen Beteiligten ist klar, dass auch die umfangreichste Gesetzesänderung keine Wirkung haben kann, wenn die Herkunfts- oder Transitländer abgelehnte Flüchtlinge und Asylbewerber nicht zurücknehmen.
Um entsprechende Abkommen abzuschließen, hat die Bundesregierung den Sonderbeauftragten Joachim Stamp (FDP) eingesetzt, der solche Vereinbarungen verhandeln soll. Doch auch nach mehr als einem halben Jahr lassen seine Erfolge auf sich warten. Augenscheinlich hat ein Sonderbeauftragter nicht das gleiche politische Gewicht, wie eine Ministerin.
Bundesregierung will Rückführungsabkommen mit Maghrebstaaten schaffen.
Die Bundesregierung scheint auch das Pferd von hinten aufzäumen zu wollen. In der innenpolitischen Debatte könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Maghrebstaaten die Lösung des Migrationsdrucks in Händen halten würden und wenn man diese dazu bringt Rückführungen zuzustimmen, dann wäre man einer Lösung nahe.
Wenn man sich aber die Zahlen des Statistischen Bundesamts ansieht, dann kommen nur die wenigsten irregulären Migranten und Asylbewerber z.B. aus Marokko. Mit Stand 31.12.2022 kamen über drei Millionen Menschen in Deutschland an. Alleine über eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine. Vor dem Krieg in Syrien flüchteten über 674.000 Menschen, die aber nicht als Flüchtlinge gelten, sondern Asyl beantragen müssen, anders als bei den Menschen aus der Ukraine.
Mit deutlichem Abstand folgen die Herkunftsländer Afghanistan (286.000), Irak (210.000) und Türkei (100.000).
Aus Marokko kamen tatsächlich 6.625 Menschen bis Ende 2022.
Vor diesem Hintergrund beschweren sich die Länder der EU, dass Marokko Rückführungen nur bei eindeutig geklärten Identitäten zustimmt. Und obwohl der Anteil der Marokkanerinnen und Marokkaner, die irregulär nach Deutschland einreisen, im Verhältnis gering ist, nimmt das Land und auch Tunesien sowie Libyen einen breiten Raum in der Diskussion ein, was eher darauf zurückzuführten ist, dass diese Länder durch ihre geographische Lage als Transitländer für Flüchtlinge und irreguläre Migranten genutzt werden. In den letzten beiden Jahren hat man z.B. von Seiten Frankreichs offiziell die Visavergabe für Marokkanerinnen und Marokkaner begrenzt und im Stillen durch bürokratische Verfahren auch von Seiten Deutschlands behindert. Ähnlich haben die Benelux-Staaten gehandelt. Alles um den Druck auf Marokko aber auch Tunesien zu erhöhen.
Innenministerin Faser begleitet Sonderbeauftragten Stamp.
Am kommenden Montag und Dienstag werden die deutsche Innenministerin Nancy Faeser und der Sonderbeauftragter Stamp im nordafrikanischen Königreich Marokko erwartet. Dabei stehen direkte Gespräche mit dem marokkanischen Innenminister Abdelouafi Laftit an. Die gemeinsame Reise soll unter anderem dem Sonderbeauftragten Stamp eine größere Legitimität für zukünftigen Gespräche verschaffen.
Zwar wird in der Regel davon gesprochen, dass man Marokko dazu bewegen möchte, mehr eigene Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zurückzunehmen, was aber angesichts der geringen Anzahl kaum Entlastung für Deutschland oder die EU bringen würde, selbst wenn das Königreich jeden mutmaßlichen oder tatsächlichen Staatsbürger zurücknehmen würde.
Darüber hinaus hält Marokko bereits eine hohe Anzahl von Migranten aus der Sahelzone oder Zentralafrika zurück, dies vor allem in Zusammenarbeit mit Spanien, und integriert diese in die eigene Gesellschaft.
Doch Deutschland und viele Länder der EU wollen von Marokko mehr. Man wünscht sich vom nordafrikanischen Königreich die Aufnahmebereitschaft von Migranten oder Flüchtlingen auch unabhängig von der tatsächlichen Herkunft oder auch die Aufnahme von Menschen, die z.B. auf dem Mittelmeer gerettet wurden, ähnlich dem Abkommen mit der Türkei, das noch Bundeskanzlerin Merkel verhandelt hat.
Sie sollen auf marokkanischem Boden in Aufnahmelagern ihre Asylgesuche oder Anträge auf Migration stellen, ohne vor die Augen der europäischen Wählerinnen und Wähler aufzutauchen. Die schrecklichen Bilder von überfüllten Lagern in Italien oder Griechenland soll es nichtmehr geben. Ob es diese Bilder dann auf dem Boden der Maghreb-Staaten, z.B. Marokko geben könnte, nicht so wichtig zu sein. Notfalls kann man ja dann behaupten, dass die Verantwortung für die Zustände bei den dortigen Behörden liege.
Auch Qualifikationszentren / Qualifikationslager sollen außerhalb der EU und Deutschlands entstehen, so dass nach Bedarf und Interessen Menschen ausgesucht werden können, eine Art Rosinenpicken zu Stärkung der eigenen Wirtschaft passend zu Nachfrage der Unternehmen in der EU.
Was dann aber mit den abgelehnten Menschen passieren soll, könnte zum Problem für Marokko werden. Denn zum einen könnten solche Lager / Zentren einen Anreiz darstellen, der zu mehr Migration in Richtung Marokko führen könnte und zum anderen müsste Marokko dann sich um die Menschen kümmern, die nicht in die EU einreisen können und die dann in dem aufstrebenden Land bleiben könnten.
Ein vergleichbares Anliegen hat die EU-Kommission bereits an Tunesien herangetragen, was der Präsident aber abgelehnt hatte, trotz finanzieller Anreize. Bisher hat Marokko solche Anliegen ebenfalls abgelehnt. Man kann also gespannt sein, mit welchen Anreizen die deutsche Innenministerin Faeser für ein Umdenken in Rabat sorgen will. Dabei sollte man, was den Druck auf Marokko betrifft, vorsichtig sein. Im diplomatischen Konflikt mit Spanien hat Marokko gezeigt, dass man durchaus in der Lage ist, den Druck zu erwidern, in dem man die Migration in Richtung EU weniger behindert. Auch ist das Land ein Wichtiger Partner bei Sicherheitsfragen und strategisch wichtig für die Energieversorgung der Zukunft mit grünem Wasserstoff.