StartMarokkoMarokko – Außenhandelsfahrplan 2025–2027 vorgestellt - Kurs auf wirtschaftliche Öffnung und Exportoffensive

Marokko – Außenhandelsfahrplan 2025–2027 vorgestellt – Kurs auf wirtschaftliche Öffnung und Exportoffensive

Vertrauen in die Zukunft oder Wunschdenken der marokkanischen Regierung?

Ein strategischer Neustart für Marokkos Exportwirtschaft – Regierung und Wirtschaft präsentieren neue Außenhandelsstrategie – Ziel: Mehr Exporte, mehr Arbeitsplätze, mehr globale Wettbewerbsfähigkeit

Casablanca – In einer feierlichen Zeremonie unter Vorsitz von Regierungschef Aziz Akhannouch stellte die marokkanische Regierung am 28. Mai 2025 den neuen Fahrplan für den Außenhandel 2025–2027 vor. Die Strategie markiert einen Wendepunkt in der Außenwirtschaftspolitik des Königreichs und setzt auf eine ambitionierte Kombination aus Exportsteigerung, Marktdiversifizierung und gezielter Unterstützung von Unternehmen – insbesondere kleinen und mittleren. Marokkos leidet unter einem strukturellem und stetig wachsenden Außenhandelsdefizit und ist gezwungen zu handeln.

Der Fahrplan verfolgt drei übergeordnete Ziele: die Schaffung von 76.000 neuen Arbeitsplätzen, die Gründung von jährlich 400 neuen Exportunternehmen sowie zusätzliche Exporteinnahmen in Höhe von 84 Milliarden marokkanischen Dirham (MMDH) innerhalb von drei Jahren.

Die vier Hebel der Roadmap

Regierungschef Akhannouch betonte die Bedeutung des Außenhandels als „Hebel der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“, im Einklang mit der Vision von König Mohammed VI. Die Roadmap beruht auf einem integrierten und partizipativen Ansatz, gestützt auf vier Interventionshebel sowie sechs bereichsübergreifende Reformen.

Konkret umfasst sie Maßnahmen wie:

  • die Stärkung traditioneller Exportsektoren (z. B. Handwerk, Agrarwirtschaft),
  • regionale Unterstützungsbüros für den Außenhandel,
  • ein digitales „One-Stop-Shop“-System zur Vereinfachung der Exportprozesse,
  • sowie die Einführung neuer Exportversicherungen, insbesondere für afrikanische Zielmärkte.

Die Herausforderungen sind groß.

Die Faktenlage bestätigt mutmaßlich das von der Regierung wahrgenommene wirtschaftspolitische Kalkül. Zwischen 2012 und 2024 stiegen Marokkos Exporte von 185 auf 455 Mrd. MAD, so Staatssekretär für Außenhandel Omar Hejira. Das Exportpotenzial wird derzeit auf 120 Mrd. MAD geschätzt – davon allein 12 Mrd. MAD auf dem afrikanischen Kontinent.

Allerdings bleibt die Struktur der Exporte stark konzentriert. Rund 70 % gehen nach Europa, 92 % entfallen auf nur sechs Industriesektoren. Diese geografische und sektorale Konzentration stellt ein Risiko dar – sowohl für die Widerstandsfähigkeit bei externen Schocks als auch für die nachhaltige wirtschaftliche Diversifizierung.

Der Schulterschluss von Staat und Privatwirtschaft

Ein zentrales Merkmal des neuen Fahrplans ist die enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. Ryad Mezzour, Minister für Industrie und Handel, hob hervor, dass die Strategie auf einem umfassenden Konsultationsprozess beruhe – mit regionalen Touren, Fachverbänden, Marktanalysen und Stakeholder-Gesprächen. So sollen regionale Potenziale besser genutzt und passgenaue Exportfördermaßnahmen entwickelt werden.

Für den Präsidenten des Unternehmerverbands CGEM, Chakib Alj, geht der Plan über eine technische Reform hinaus. Es sei ein „kollektiver Pakt“, so Alj, „in dem Exporte nicht die Ausnahme, sondern zur Normalität für unsere KMU werden sollen“. Besonders wichtig sei die geplante Einführung eines Zusatzversicherungsprodukts gegen kommerzielle und politische Risiken in neuen Exportmärkten, insbesondere in Afrika – ein Instrument, das bislang gefehlt habe.

Exporte als nationale Aufgabe

Herr Alj betonte weiter: „Auf dem Spiel stehen nicht nur unsere Exporte, sondern auch unsere Arbeitsplätze, unsere Währung sowie unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung.“ Dies bringt den Grundtenor des Plans auf den Punkt: Exportförderung als gesamtwirtschaftliche Verantwortung, bei der alle Akteure – öffentliche Stellen, Unternehmen, Regionen – in die Umsetzung eingebunden sind.

Die Zeremonie in Casablanca war nicht nur Auftakt, sondern auch Verpflichtung. Mehrere Vereinbarungen zwischen Regierung und Verbänden wurden unterzeichnet, um die Umsetzung der Roadmap zu koordinieren und verbindlich abzusichern.

Vertrauen in die Zukunft oder Wunschdenken der marokkanischen Regierung?

Mit dem neuen Außenhandelsfahrplan positioniert sich Marokko als aktiv handelndes Schwellenland, das seine Exportstrategie nicht dem Zufall überlässt. Die ehrgeizigen Ziele sind in Zahlen messbar, strukturell unterlegt und institutionell abgestützt. Doch damit bleibt auch die Messlatte hoch: Die Zahl der neuen Exporteure, die versprochenen Arbeitsplätze, die Diversifizierung weg von Europa – all das verlangt nicht nur politischen Willen, sondern operative Effizienz und wirtschaftliche Resilienz.

Kritisch zu beobachten bleibt zudem, ob es gelingt, die oft papierlastige Exportbürokratie abzubauen, regionale Förderstellen praxisnah zu implementieren und Unternehmen in den entlegeneren Regionen tatsächlich zu mobilisieren. Ebenso entscheidend wird sein, ob Logistik und Finanzierung – zwei klassische Schwachstellen – mit der strategischen Ambition Schritt halten.

Was Marokko allerdings mit diesem Plan zeigt, ist Vertrauen in sich selbst – und in das Potenzial seiner Unternehmen, wenn sie die richtigen Instrumente an die Hand bekommen. In Zeiten globaler Unsicherheiten und geopolitischer Umbrüche ist das nicht selbstverständlich, aber notwendig. Der neue Fahrplan ist ein Signal: Marokko will nicht nur vom Welthandel profitieren, sondern ihn aktiv mitgestalten.

Denn wenn Exporte zur Normalität werden sollen, braucht es mehr als Strategie – es braucht Umsetzungskraft, Zeit und ein gesamtgesellschaftliches Commitment.

Marokko – Außenhandelsbilanz bleibt defizitär trotz Exportwachstum

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