Arabische Einigkeit und institutionelle Erneuerung gefordert. Beim Arabischen Gipfel in Bagdad positioniert sich Algerien als Stimme für Palästina, regionale Stabilität und multilaterale Reform.
Bagdad – Beim 34. Arabischen Gipfel am 17. Mai 2025 in Bagdad hat Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune in einer schriftlich übermittelten Botschaft zu weitreichenden Reformen innerhalb der Arabischen Liga aufgerufen. In der Rede, die von Außenminister Ahmed Attaf stellvertretend verlesen wurde, betonte Tebboune die Notwendigkeit, die Organisation strukturell und politisch an die heutigen Herausforderungen anzupassen.
„Wir stehen wirklich vor einem entscheidenden Wendepunkt“, so Tebboune laut der algerischen Nachrichtenagentur APS. Die Arabische Liga sei zu einer anderen Zeit in einem anderen Kontext gegründet worden und müsse nun dringend auf die neuen geopolitischen Realitäten reagieren. Besonders angesichts zunehmender ausländischer Einflussnahme und interner Instabilitäten forderte Tebboune eine grundlegende strategische Neuausrichtung der arabischen Zusammenarbeit.
Schwerpunkt Palästina – Kritik an israelischer Besatzung
Einen zentralen Platz in Präsident Tebbounes Rede nahm die palästinensische Frage ein, die er als „unsere zentrale Sache“ bezeichnete. In scharfen Worten kritisierte er das israelische Vorgehen und sprach von einem „absurden Frieden“, der ausschließlich den Interessen der Besatzungsmacht diene. Algerien rufe die arabische Welt zur Verstärkung ihrer politischen und materiellen Unterstützung für das palästinensische Volk auf.
Diese Positionierung knüpft an Algeriens langjährige Haltung an, die sich durch eine konsequente Ablehnung der Normalisierung mit Israel und eine starke Solidarität mit den palästinensischen Anliegen auszeichnet. Tebboune machte deutlich, dass Algerien seine Verantwortung nicht nur aus nationalem, sondern auch aus „rechtlichem, moralischem und zivilisatorischem“ Pflichtgefühl heraus wahrnehme.
Regionale Stabilität – Solidarität mit Syrien, Libanon und Krisenstaaten
In einem weiteren Teil seiner Rede appellierte der algerische Präsident an die arabischen Staaten, sich stärker für die Einheit und Souveränität Syriens und des Libanon einzusetzen. Die Stabilität dieser Länder sei ein integraler Bestandteil der Sicherheit der gesamten Nahostregion.
Präsident Tebboune warnte zugleich vor den Folgen der Passivität in Bezug auf andere Konflikte. Besonders verwies er auf die Krisen in Libyen, Sudan, Jemen und Somalia, bei denen das Fehlen einer arabischen Führungsrolle ausländischen Akteuren Raum gegeben habe. Algerien, so ließ der Präsident erkennen, sehe sich hier als Mahner und potentieller Mittler in einem zunehmend fragmentierten geopolitischen Umfeld.
Algerien im Sicherheitsrat – Verteidiger arabischer Interessen
Die Ansprache enthielt auch einen Rückblick auf Algeriens derzeitige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat. Im zweiten und letzten Jahr seines Mandats verstehe sich Algerien als „loyaler Verteidiger der Anliegen der arabischen Nationalitäten“. Ziel sei es gewesen, die Stimmen der Region in das höchste Gremium der internationalen Politik zu tragen.
Keine Stellungnahme zu Marokkos Kandidatur
Auffällig in der Botschaft war das vollständige Fehlen einer Bezugnahme auf die Bewerbung Marokkos für einen Sitz im Sicherheitsrat 2028–2029 – ein Thema, das ansonsten Teil der Gipfelerklärung war. Marokkos Kandidatur wurde von der Arabischen Liga formell unterstützt, auch Algerien trug diese Erklärung mit. Dass Algerien sich dazu in der Präsidentenrede jedoch nicht äußerte, lässt auf bewusste Zurückhaltung schließen.
Angesichts der bekannten Spannungen zwischen Algier und Rabat, insbesondere im Zusammenhang mit dem Westsahara-Konflikt, ist dies diplomatisch nicht überraschend. Beobachter werten das Schweigen als Hinweis darauf, dass Algerien keine aktive Unterstützung für Marokko leisten, die multilaterale Geschlossenheit des Gipfels aber auch nicht offen infrage stellen wollte.
Algerien nutzte den Arabischen Gipfel in Bagdad, um sich als Stimme für eine grundlegende Erneuerung der arabischen Zusammenarbeit, für palästinensische Rechte und für regionale Stabilität zu präsentieren. Präsident Tebboune betonte dabei die Bedeutung einer eigenständigen arabischen Rolle in internationalen Gremien und Konflikten. Die diplomatische Zurückhaltung gegenüber Marokkos UN-Kandidatur zeigt zugleich die Grenzen dieser Einigkeit – und die nach wie vor fragile Lage innerhalb des arabischen Blocks.
Algerien – Präsident Tebbounes Botschaft an den Arabischen Gipfel