StartAlgerienAlgerien – Präsident nennt Beziehungen zu Marokko unumkehrbar.

Algerien – Präsident nennt Beziehungen zu Marokko unumkehrbar.

Enge Beziehungen zwischen Marokko und Israel werden in Algier als Bedrohung wahrgenommen.

Im Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera nahm der algerische Präsident Abdenmajid Tebboune Stellung zu den Beziehungen zu Marokko und zur Haltung Spaniens in der Westsahara-Frage.

Algier – Es ist das ständig im Mittelpunkt der algerischen Politik stehende Thema. Die Rivalität mit dem westlichen Nachbarn Marokko. Es geht, um die Vorherrschaft in der Region des Maghreb, dem Einfluss in Afrika und um die territoriale Integrität beider Länder. Der mal mehr mal weniger heiße Konflikt erstreckt sich bereits über Jahrzehnte und behindert wesentlich die Entwicklung der Region.

Kurz vor dem Beginn des für Muslime heiligen Fastenmonats Ramadan stellte sich der algerische Präsident Abdelmajid Tebboune in einem Interview den Fragen des Nachrichtensenders Al Jazeera, und auch dabei ging es nicht unwesentlich um Marokko und die Westsahara / marokkanische Sahara.

Beziehungen zu Marokko „haben einen Punkt erreicht, von dem es kein Zurück mehr gibt“.

Konkret nach den aktuellen Beziehungen zu Marokko gefragt, machte Präsident Abedlmajid Tebboune wenig Hoffnung auf eine positive Entwicklung. Nach Ansicht des algerischen Präsidenten haben die Beziehungen zwischen Algerien und Marokko den „Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt“. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die im Jahr 2021 auch diplomatisch abgebrochen wurden, sind nach wie vor schlecht.

In dem Interview mit Al Jazeera sagte Tebboune am Dienstag (21. März 2023), dass er zwar die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Algerien und seinem Nachbarn bedauere, aber Marokko für die aktuelle Situation verantwortlich mache.

„Wir haben praktisch den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt“, sagte Tebboune, der 2019 nach dem Rücktritt des langjährigen Staatschefs Abdelaziz Bouteflika Präsident wurde. „Unsere Position ist eine Antwort, wir waren nie diejenigen, die das Konfliktfeld geschaffen haben.“

Streit um Westsahara / marokkanische Sahara ist ein Konflikt um territoriale Integrität und ein Erbe der Kolonalmächte Frankreich und Spanien.

Die beiden wichtigsten nordafrikanischen Länder befinden sich seit Jahrzehnten augenscheinlich in einem erbitterten Konflikt über das umstrittene Gebiet der Westsahara / marokkanische Sahara.

Algier unterstützt die bewaffnete Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara / marokkanische Sahara anstrebt, ein Landstrich, den das Königreich Marokko als sein eigenes Hoheitsgebiet betrachtet.

Doch eigentlich geht es grundsätzlich, um die territoriale Integrität beider Länder, denn die umstrittenen Grenzverläufe zwischen ihnen sind ein Erbe der Kolonialzeit und den Handlungen Frankreichs und Spaniens.

Marokkos Staatsgebiet ist im historischen Rückblick heute wesentlich kleiner, als vor der Besatzung durch Spanien und Frankreich.
Bei Algerien ist es genau umgekehrt. Algerien ist heute das größte Flächenland Afrikas, was in nicht unwesentlichen Teilen auf die Grenzziehungen während der französischen Kolonialzeit zurückzuführen ist.
Eine von der internationalen Gemeinschaft womöglich akzeptierte territoriale Expansion des Königreiches Marokko, mit der Tendenz zu den früheren Grenzen zurückzukehren, ist nicht im Interesse Algeriens, aber auch nicht Mauretaniens, den dies könnte zu Gebietsansprüchen Marokkos gegenüber beiden Ländern führen.
Es ist daher von großem Interesse für Algier, dass die Westsahara / marokkanische Sahara zu einem unabhängigen Gebiet wird, bestenfalls von Algier aus indirekt kontrolliert, weil es die eigene aktuelle territoriale Integrität schützen würde.

MarocHebdo
Quelle MarocHebdo – Titelseite Ausgabe vom 3. März 2023 Nr. 1476

Das dieses Risiko aus Sicht Algeriens real ist, könnte durch eine aktuelle Diskussion untermauert werden, die nach einem Leitartikel in dem Magazin MarocHebdo ausgelöst wurde. Das Magazin zeigte eine Karte Marokkos auf der Titelseite der Ausgabe vom 3. März 2023, in der weite Teile der sog. Ostsahara, die im heutigen Algerien liegt, als Teil des Königreiches dargestellt sind. Das dies Sorgen in Algier auslöst, kann nachvollzogen werden und die Beschwichtigungen aus Reihen einiger politischer Parteien in Marokko helfen dann nicht wirklich.

Enge Beziehungen zwischen Marokko und Israel werden in Algier als Bedrohung wahrgenommen.

Die Frente- Polisario griff in den 1970er Jahren zu den Waffen und fordert seither ein Unabhängigkeitsreferendum auf der Grundlage eines 1991 geschlossenen Waffenstillstandsabkommens.
Lange konnten sich Marokko und die Polisario nicht auf die Modalitäten eines solchen Referendums einigen, weshalb es auch nach 30 Jahren der Verhandlungen nie abgehalten wurde.

Gestärkt durch die Unterstützung zahlreicher afrikanischer Staaten, so wie mehrere EU-Länder und vor allem durch die explizite Anerkennung des marokkanischen Hoheitsanspruch über die Westsahara / marokkanische Sahara durch die USA, bietet Marokko, auf Basis eines Vorschlags aus dem Jahr 2007, nun lediglich eine Autonomie für die von Rabat als Südliche Provinzen bezeichneten Regionen an.

Der inzwischen nicht mehr im Amt befindliche algerische Außenminister Ramtane Lamamra kündigte den Abbruch der diplomatischen Beziehungen im August 2021 an, nachdem die Spannungen im Zusammenhang mit dem Konflikt zugenommen hatten.

Neben dem Westsahara-Konflikt betrachtet Algerien auch die politische Annäherung zwischen Marokko und Israel, welche auch eine militärische Kooperation beinhaltet, als Bedrohung für die eigene Sicherheit und als „Verrat“ an der Unterstützung für die Palästinenser. In seinem Interview betonte Präsident Tebboune die Unterstützung seines Landes für Palästina und sagte, Algerien betrachte das Thema als eine innerstaatliche Angelegenheit.

Algerien erkennt Israel als Staat nicht an, während Marokko und Israel in einem mit Hilfe der Vereinigten Staaten (USA) ausgehandelten Abkommen im Dezember 2020 die Normalisierung der Beziehungen vereinbarten. Im Kontext dieses Abkommen hatten die USA unter Donald Trump den Hoheitsanspruch Marokkos über die Westsahara /marokkanische Sahara per Präsidialdekret anerkannt.

Westsahara
Westsahara / marokkanische Sahara

Diplomatische Eiszeit mit Spanien mit der Haltung von Pedro Sanchéz verbunden.

Präsident Tebboune wandte sich in dem Interview außerdem kritisch gegen Spanien, welches er beschuldigte, einseitig zugunsten Marokkos eingestellt zu sein. Er fügte hinzu, dass die spanische Regierung ihre Rolle als ehemalige Kolonialmacht in der Westsahara / marokkanische Sahara vergessen habe und dass Madrid immer noch Verantwortung für die Lösung des Problems trage. Die Westsahara / marokkanische Sahara war bis 1975 eine spanische Kolonie. Danach übernahmen Marokko und Mauretanien sowie später nur noch das nordafrikanische Königreich die Kontrolle über den riesigen Wüstenstreifen an der afrikanischen Atlantikküste, der etwas größer als Großbritannien ist, ohne dass dies lange Zeit international anerkannt wurde.

Dies hat sich in den letzten Jahren und unter König Mohammed VI. zunehmend geändert. Die internationale Anerkennung des Hoheitsanspruchs über die Westsahara / marokkanische Sahara ist mit das wichtigste Ziel für die marokkanische Führung, die die Afrikanische Union 1984 unter König Hassan II. aus Protest gegen die Anerkennung der Polisario durch die Organisation verließ.
Marokko ist erst 2016 unter König Mohammed VI. wieder in die Afrikanische Union eingetreten und es gelingt dem Königreich zunehmend Unterstützung für die eigene Position zu gewinnen, was die Frente Polisario und damit Verbunden Algerien schwächt.

Das europäische Land und ehemalige Kolonialmacht Spanien hat in dieser Frage jahrzehntelang offiziell eine neutrale Position eingenommen, mit einer Tendenz zur Unterstützung des Volkes der Sahraouis sowie begrenz der Frente Polisario. Doch im März letzten Jahres, nach einem langen und hart geführten diplomatischen Konflikt zwischen Marokko und Spanien, unterstützte Madrid Marokkos Lösungsvorschlag aus dem Jahr 2007, der die Autonomie der Westsahara /marokkanische Sahara unter marokkanischer Souveränität vorsieht, und bezeichnete ihn als die „ernsthafteste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage“ zur Beendigung des langjährigen Konflikts. Mehrere weitere EU-Staaten, darunter die Niederlande und auch Deutschland würdigen den Autonomieplan ebenfalls als mögliche Lösung.

Algerien reagierte darauf, indem es aus Protest seinen Botschafter aus Madrid abberief, und setzte einige Monate später einen zwei Jahrzehnte alten Freundschaftsvertrag mit Spanien aus.

In dem Interview mit dem katarischen Nachrichtensender sagte Präsident Tebboune: „Wir betrachten die Haltung Spaniens gegenüber der Westsahara als eine individuelle Haltung der Regierung Sanchez“, und er betonte, dass Spanien „sich in der Westsahara-Frage auf eine Seite geschlagen hat, was sie nicht von ihrer Verantwortung entbindet“.

Er wies darauf hin, dass trotz des diplomatischen Streits, der „Handelsaustausch zwischen Algerien und Spanien fortgesetzt und dieser Überwiegend über den Privatsektor in beiden Ländern abgewickelt wird“.

Algerischer Präsident äußert sich zum Krieg in Europa, den Beziehungen zu Frankreich und der Zusammenarbeit mit Italien

In Bezug auf die Beziehungen zu Italien sagte das algerische Staatsoberhaupt, dass diese „strategisch, historisch und sehr solide sind und bis in die Zeit des Befreiungskrieges zurückreichen“, und wies darauf hin, dass das Energieabkommen mit Italien „Strom, Gas und Wasserstoff umfasst, und wir arbeiten daran, es in Zusammenarbeit mit Europa umzusetzen“.

Angesprochen auf den Krieg in Europa zwischen Russland und der Ukraine erklärte Präsident Tebboune, dass „Algerien in der Lage ist, eine Vermittlerrolle in der Ukraine-Krise zu spielen, da Algerien zu den wenigen Ländern gehört, die die notwendige Glaubwürdigkeit besitzen, um diese Aufgabe zu erfüllen“, und fügte hinzu, dass „mein Besuch in Russland immer noch aktuell ist und im Mai auf Einladung des russischen Präsidenten stattfinden wird“.
Dabei erwähnte er nicht, dass Russland der engste politische und militärische Partner Algeriens ist und Algier eine Mitgliedschaft in dem Verbund der BRICs-Staaten aus Brasilien, Russland, Indien, China anstrebt, genau wie ehemalige zentralasiatische Länder und der Iran.

In Bezug auf die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien sagte der Präsident der Republik, abschließend, dass „unsere Beziehung zu Frankreich schwankend ist“, und betonte, dass „der algerische Botschafter bald wieder in Paris sein wird“.

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