StartAlgerienAlgerien – Die Präsidentschaftswahl der seltsamen Zahlen

Algerien – Die Präsidentschaftswahl der seltsamen Zahlen

Wenn die offiziellen Zahlen eine Herausforderung darstellen.

Präsident Abdelmajid Tebboune wurde mit über 94 % der Stimmen gewählt, doch welche Stimmen wurden da gezählt? Wie man es dreht und wendet, es passt nicht zusammen.

Algier – Am gestrigen Abend gab die sogenannte unabhängige algerische Wahlbehörde ANIE das vorläufige amtliche Ergebnis der am 7. September 2024 abgehaltenen Präsidentschaftswahl bekannt. Wie kaum anders erwartet, wurde der amtierende Präsident mit einer überwältigenden Mehrheit von 94,5 % der abgegebenen Stimmen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Er habe damit seine beiden Kontrahenten mit einer unglaublich deutlichen Mehrheit geschlagen.

Bereits am gestrigen Tag trafen Glückwunschbotschaften aus Tunesien, Syrien, der Türkei und Katar ein, wie die algerische Nachrichtenagentur APS berichtete. Die dortigen Staatsoberhäupter und Machthaber gratulierten dem alten und wahrscheinlich neuen algerischen Präsidenten zum Wahlsieg.

Offiziell trat der amtierende und mutmaßlich neue Präsident Abdelmajid Tebboune als unabhängiger Kandidat an, tatsächlich wurde er jedoch von der Regierungspartei FLN und vor allem vom in Algerien sehr mächtigen Militär unterstützt. Zugleich wurde der Wahlkampf so organisiert, dass die Opposition sich kaum mit dem Amtsinhaber oder dessen Regierungsbilanz auseinandersetzen konnte oder durfte.

So wenig der Sieg von Abdelmajid Tebboune im Vorfeld angezweifelt werden konnte, so interessierter schauten die politischen Beobachter auf das Ergebnis der Wahlbeteiligung, die bereits bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 13. Dezember 2019 mit offiziellen 39,93 % historisch niedrig gewesen war. Es war klar, dass alles vermieden werden sollte, um eine Wahlbeteiligung unter diesem Wert zu verhindern.

Wenn die offiziellen Zahlen eine Herausforderung darstellen.

Wer sich das nun bekannte Wahlergebnis ansieht, das von der sogenannten unabhängigen Wahlbehörde ANIE bekanntgegeben wurde, und dies mit vorherigen Zahlen der gleichen Behörde zu Wahlberechtigten, Wahlbeteiligung und ausgezählten Stimmen vergleicht, wird vermutlich an einfacher Mathematik scheitern, wenn versucht wird, diese in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Aber lassen Sie uns, liebe Leserinnen und Leser, gemeinsam einen Versuch unternehmen, diese Rechenaufgabe zu lösen.

Die Entwicklung der Wahlbeteiligung

Am Vormittag des Wahltages, dem 7. September 2024, veröffentlichte die ANIE um 10:00 Uhr Ortszeit eine erste Quote der Wahlbeteiligung, die bei 4,56 % der Wahlberechtigten lag.

Wenige Stunden später, um 13:00 Uhr, wurde die Wahlquote mit offiziell 13,11 % angegeben.

Um 17:00 Uhr meldete die Wahlbehörde eine Wahlbeteiligung von offiziellen 26,45 %.

Kurz darauf wurde über die Medien mitgeteilt, dass nun auch alle Personen mit Ausweisdokumenten zur Wahl gehen könnten, selbst wenn sie bisher nicht in den Wählerlisten standen. Ein Ausweisdokument mit dem vermerkten Wahlbezirk genügte nun, um seine Stimme abzugeben. Kurz vor Schließung der Wahllokale wurde dann bekanntgegeben, dass die Öffnungszeiten um eine Stunde bis 20:00 Uhr verlängert wurden, um jedem die Stimmabgabe zu ermöglichen.

Offiziell wurden die Wahllokale in den meisten Wahlbezirken um 20:00 Uhr Ortszeit geschlossen und die Auszählung begann.

Obwohl es der Wahlbehörde tagsüber möglich gewesen war, praktisch im 2-3-Stunden-Takt eine aktuelle Wahlquote zu veröffentlichen, hörte man erst nach Mitternacht, also bereits am gestrigen Sonntag, wieder von der ANIE. Diese vermeldete einen Sprung der Wahlbeteiligung auf 48,03 %. Für spätere Rechenversuche soll diese offizielle Wahlquote als Grundlage dienen. Merken wir uns also die 48,03 % Wahlbeteiligung.

Die potenziellen Wähler

Einige Tage vor den Präsidentschaftswahlen veröffentlichte die algerische Wahlbehörde Zahlen zum Wählerpotential bzw. zu den Wahlberechtigten im In- und Ausland:

  • Wählerschaft insgesamt: 24.351.551 Wahlberechtigte
  • Wählerschaft im Inland: 23.486.061 Wahlberechtigte
  • Wählerschaft im Inland nach Geschlecht: 53 % Männer, 47 % Frauen
  • Wählerschaft im Inland nach Altersgruppe: 36 % der Wähler sind unter 40 Jahre alt
  • Wählerschaft im Ausland: 865.490 Wahlberechtigte
  • Wählerschaft im Ausland nach Geschlecht: 55 % Männer, 45 % Frauen
  • Wählerschaft im Ausland nach Altersgruppe: 15,43 % der Wähler sind unter 40 Jahre alt

Wir wissen also, dass über 24,35 Millionen Menschen im In- und Ausland ihre Stimme hätten abgeben können. Laut der offiziellen Wahlquote von 48,03 % haben dies etwa 11.696.049 Wahlberechtigte getan (24.351.551 x 0,4803). Merken wir uns diese Zahl der abgegebenen Stimmen entsprechend der Wahlbeteiligung von 48,03 %.

Das Wahlergebnis und die Suche nach den fehlenden Stimmen

Wie bereits unter Bezugnahme auf das vorläufige amtliche Ergebnis der Präsidentschaftswahl genannt, habe der unabhängige Kandidat und amtierende Präsident 94,5 % der abgegebenen Stimmen erhalten.

Laut ANIE und der Veröffentlichung am gestrigen Abend durch die staatliche Nachrichtenagentur APS seien dies 5.329.253 Stimmen gewesen. Merken wir uns auch diese Zahl.

Jeder, der grundlegende mathematische Fähigkeiten besitzt, wird jetzt stutzig. Wenn wir uns nicht verrechnet haben, sind 94,5 % von 11.696.049 Stimmen nicht 5.329.253.

Es müssten, sofern die Wahlbeteiligung tatsächlich bei 48,03 % lag, eigentlich 11.052.768 Stimmen zugunsten des jetzt wiedergewählten Präsidenten gewesen sein.

Was ist mit den anderen 6.366.796 Stimmen passiert?

Die Opposition kann sie laut ANIE nicht erhalten haben, denn der Kandidat der Bewegung der Gesellschaft für den Frieden (MSP), Abdelaâli Hassani Cherif, habe 178.797 Stimmen erhalten, was einer Quote von 3,17 % entspricht. Der Kandidat der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS), Youcef Aouchiche, habe weitere 122.146 Stimmen erhalten, was einer Quote von 2,16 % entspricht.

Was ist daraus abzuleiten?

Die Suche nach den verlorengegangenen Wählerstimmen ist Aufgabe der sogenannten unabhängigen Wahlbehörde. Doch es drängen sich einige Fragen auf.

Zum einen könnte man vermuten, dass über die Hälfte (6,37 Mio.) der abgegebenen Stimmen aus irgendeinem Grund ungültig waren. Wie dies geschehen sein könnte, müsste geprüft werden.

Zum anderen könnte man vermuten, dass es diese Stimmen nicht gegeben hat und nur etwa 5,63 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben haben, was auf eine Wahlbeteiligung von nur 23,12 % hindeuten würde.

Dies würde nicht ausschließen, dass Präsident Tebboune tatsächlich 94,5 % der abgegebenen Stimmen erhalten hat, jedoch von wesentlich weniger Menschen. Das würde Fragen nach seinem Rückhalt in der Bevölkerung aufwerfen, wenn mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten nicht zur Wahl gegangen sind.

Es ist aber auch möglich, dass es tatsächlich rund 11,7 Millionen abgegebene Stimmen gegeben hat. Dann wären jedoch nur etwa 45,56 % der Stimmen auf den amtierenden Präsidenten entfallen, womit er die einfache Mehrheit von 50 % plus einer Stimme nicht erreicht hätte.

Wie man es dreht und wendet.

Liebe Leserinnen und Leser, gerne können Sie dem Autor helfen und aus den offiziellen Zahlen zur Präsidentschaftswahl vom 7. September 2024 die nötigen Schlüsse ziehen, um das Ergebnis besser zu verstehen – vorausgesetzt, man möchte nicht unterstellen, dass an dieser Wahl nichts der Wahrheit entspricht. Denn egal, wie man die veröffentlichten Zahlen dreht und wendet, es ergibt keinen Sinn, es sei denn, man geht davon aus, dass keine Zahl richtig ist und es für die Algerierinnen und Algerier unnötig war, ihre Stimme abzugeben, da der Sieger womöglich bereits vorher feststand. Aber offenbar wurde dies nicht allen im Vorfeld mitgeteilt, insbesondere nicht der Presseabteilung der sogenannten unabhängigen Wahlbehörde der Republik Algerien, die Zahlen und Ergebnisse veröffentlicht hat, die so keinen Sinn ergeben.

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