StartPolitikTunesien – Politik des Präsidenten schreckt Investoren ab.

Tunesien – Politik des Präsidenten schreckt Investoren ab.

Fehlen einer klaren Außenpolitik

Internationale Investoren machen um Tunesien einen Bogen und verweisen auf die Politik von Präsident Kais Saied.

Tunis – Das nordafrikanische Land Tunesien steht vor großen Herausforderungen. Die Wirtschaft ist von den Ereignissen rund um die COVID-19 Pandemie und dem Krieg in Europa geschwächt und die politische Lage kann als „schwierig“ bezeichnet werden. Unter der Jugend herrscht Frustration sowie Hoffnungslosigkeit und das Interesse der Menschen an Politik ist auf einem Tiefststand angekommen, wie zuletzt die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen zeigte. Auch die finanzielle Unterstützung für Tunesien aus dem Ausland ist deutlich geringer. Die großzügigen Zuwendungen des Golf-Kooperationsrates sind unsicher, der Internationale Währungsfonds macht weitere Kredite von schmerzhaften Reformen abhängige, die man bisher in Tunis nicht angehen will, und ausländische Investoren meiden das Land. Zwar leistet z.B. Deutschland vereinzelt Finanzhilfe, gebunden an Reformen in der Verwaltung, doch ohne die Hilfe aus Algerien wäre Tunesien in noch viel größeren Schwierigkeiten.

Denkfabrik Carnegie analysiert tunesische Außenpolitik und ihre Folgen.

Das Nachrichtenportal AfricanManager hat sich mit der aktuellen Experteneinschätzung der Lage in Tunesien und der Bewertung der Außenpolitik von Präsident Saied beschäftigt. In einen ausführlichen Artikel fasste das Nachrichtenportal die Ergebnisse der Carnegie Denkfabrik zusammen.

Die renommierte Denkfabrik Carnegie analysierte demnach die Außenpolitik des tunesischen Präsidenten und sei zu dem Schlussgekommen, dass die Aushöhlung der Demokratie das Land von internationalen Politikerinnen und Politikern, Kreditgeberinnen und Kreditgebern und Investorinnen und Investoren isoliert habe.

Der tunesische Präsident Kais Saied reiste erst vor wenigen Wochen nach Washington, um am Gipfeltreffen der Staatschefs der USA und Afrikas teilzunehmen. Dies war der jüngste Versuch des Präsidenten, seine diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um sich für die Unterstützung der USA bei der Beschaffung eines umfangreichen IWF-Darlehens einzusetzen. Doch Präsident Saied gelang es nicht, die US-Regierung und die Medien mit seinen diplomatischen Erklärungen zu beeindrucken.

Politischer Quereinsteiger und Verfassungsrechtler schwächt Demokratie in Tunesien

Die Studie verweist auf die bisherige Entwicklung im Land. Im Oktober 2019 kam der ehemalige Verfassungsrechtsprofessor ohne große politische Erfahrung an die Macht. Damals äußerten die meisten Tunesier ihre Frustration über die etablierten Parteien, denen sie Selbstsüchtigkeit, Korruption und Ineffizienz vorwarfen. In der Tat blockierten die Ideologien und das Machtstreben der islam-konservativen Gruppen, angeführt durch die der Muslimbruderschaft nahestehende Ennahda – Partei, und die Fraktionen der Liberalen und Säkularen sich gegenseitig, mit schwerwiegenden Folgen während der COVID-19 Pandemie, während dieser Tunesien zu den Ländern gehörte, die die höchste Sterblichkeitsrate hatten.

Präsident Saied galt als politischer Außenseiter ohne Verbindungen zum Establishment und wurde daher als „sauber“ bewertet. Er habe weder eine umfassende Außenpolitik noch einen Wirtschaftsplan oder ein kohärentes Programm vorzuweisen gehabt, erinnert das Forschungsinstitut seine Leserinnen und Leser. Er habe lediglich versprochen, die politische Macht im Lande von der zentralen auf die lokale Ebene zu verlagern, erläutert die Studie weiter.

Außenpolitik ohne Plan oder Strategie

Der tunesische Präsident formulierte nach Meinung des Instituts zwar nie eine kohärente Außenpolitik, doch gab er einige Erklärungen ab, die seine Haltung verdeutlichten. Die Wichtigkeit der traditionellen Partner Tunesiens, d.h. der arabischen Welt, Nordafrikas und der Mittelmeerländer, war ein Hauptthema. Im Jahr 2019 machte er allerdings in einem Interview deutlich, dass er sich keiner Achse anschließen wolle. „Ich werde dem Willen des Volkes folgen“.  Später habe er seine antiimperialistischen Ansichten unterstrichen: „Wir verneigen uns vor niemandem außer vor Gott“.

Nach seiner Wahl konzentrierte sich sein Handeln auf Verfassungsreformen, mit denen die Macht der Exekutive gefestigt, die Unabhängigkeit und Autorität des Parlaments geschwächt und die Judikative beschnitten werden sollte.

Geringe Neigung zu Auslandsreisen.

Seine Außenpolitik (oder deren Fehlen) wird von seinem autokratischen Handeln überschattet. Es heißt, Saied fühle sich an fremden Orten unwohl. Das sei vielleicht der Grund, warum er nicht viel ins Ausland gereist bzw. gefahren sei. Obwohl er ausländische Ehrengäste in Tunis empfangen habe, hätten nicht weiter genannte Quellen bestätigt, dass er nur sieben Mal ins Ausland gereist sei. Er spreche oft über die Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Tunesiens, aber selten über die tunesische Außenpolitik. Dazu gehöre auch die Behauptung, Präsident Saied zeige wenig Interesse an internationalen Angelegenheiten, z. B. an Verhandlungen mit dem IWF.

Er fühle sich in Tunesien viel wohler. Obwohl der Präsident nicht bereit sei, Tunesien in externe Konflikte zu verwickeln, sei der Konflikt in Libyen ein wichtiger Teil seiner Außenpolitik. Und obwohl er oft Tiraden gegen den Imperialismus liefere, richte sich sein Zorn nicht gegen den Westen, sondern gegen nationale Akteure. Den beiden Autoren der Analyse, Thomas Hill und Sarah Yerkes, zufolge betrachte er sie als „Verräter Tunesiens“ und beschuldige sie, ausländische Gelder anzunehmen oder in den Dienst anonymer ausländischer Mächte zu stehen.

Sein bemerkenswertester Versuch, Tunesien zu einem führenden Land zu machen, scheiterte nach Ansicht von Carnegie spektakulär. Tunesien war im August 2022 Gastgeber der achten Internationalen Konferenz von Tokio über die Entwicklung Afrikas (TICAD). Trotz der Warnungen der japanischen Regierung und anderer Teilnehmerstaaten, darunter auch Marokko, begrüßte er Brahim Ghali, den Präsidenten der selbsternannten Demokratischen Arabischen Republik Sahara und Anführer ihres bewaffneten Arms, der Frente Polisario, mit allen Ehren eines Staatschefs und überschwänglich. Bei seiner Ankunft in Tunis stand Präsident Saied sogar auf der Rollbahn und wartete auf dessen Flugzeug. Dies führte zu einem Eklat, der Absage Marokkos und fast zum Abbruch der Konferenz. Marokko und als Reaktion auch Tunesien zogen ihre jeweiligen Botschafter zurück, die bis heute nicht zurückgekehrt sind.

Manche glauben, dass Präsident Saied sich mit dieser Aktion beim algerischen Präsidenten Abdelmajid Tebboune beliebt machen wollte. Ungeachtet der Motive Saieds überschattete die Kontroverse um die Teilnahme von Ghali die gesamte Konferenz. Wenn Saied die TICAD nutzen wollte, um die Führungsrolle Tunesiens hervorzuheben, hätte er das Gegenteil tun müssen, so die Autoren weiter.

Fehlen einer klaren Außenpolitik

Da Präsident Saied seit langem eine bündnisfreie Weltanschauung vertritt, ist er nicht darauf erpicht, die Gunst der USA zu erlangen. Er kritisiert die USA auch in der Regel nicht offen – mit wenigen Ausnahmen, z.B. als US-Beamte scharfe Kritik an seinem Vorgehen am 25. Juli 2021 äußerten. Umgekehrt hofierte Saied aktiv den französischen Präsidenten Macron und ging sogar so weit, den gescheiterten Antrag im tunesischen Parlament zu kritisieren, der von Frankreich eine Entschuldigung für die Verbrechen während der Kolonialzeit gefordert hätte, was Saied heftige Kritik von Tunesiern aus dem gesamten politischen Spektrum einbrachte.

Selbst zu Beginn seines vierten Jahres im Amt hätte Präsident Saied noch immer keine kohärente Außenpolitik entwickelt. Es sei ihm gelungen, einen Großteil seines nationalen Programms umzusetzen, aber er erhalte nicht die diplomatische und finanzielle Unterstützung, die Tunesien brauche. Jedes Mal, wenn Saied versuchte, den Übergang zur Demokratie in Tunesien zu vereiteln, geriet er zunehmend in die Isolation, so die Autoren weiter.

In Wirklichkeit sei es ihm nicht gelungen, das Vertrauen der internationalen Geldgeber zu gewinnen, indem er beispielsweise mit dem IWF eine Vereinbarung getroffen hätte, die ihm helfen würde, die zahlreichen Schulden des Landes zu konsolidieren. Nach drei Jahren an der Macht in Tunesien scheine Präsident Saied immer noch nicht verstanden zu haben, dass sein nationales Programm ohne eine klar formulierte Außenpolitik keinen Erfolg haben könne, so die Autoren abschließend.

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