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Marokko – Ungedeckte Schecks: Gesetzentwurf nur Entkriminalisierung oder doch mehr Vertrauen in das Zahlungsmittel

Fehlende Schutzmechanismen für Empfänger

Die Regierung will mit einer Reform des Handelsgesetzbuchs das Vertrauen in Schecks stärken – doch Kritiker sehen vor allem eine Entlastung der Justiz und eine Schwächung der Abschreckung.

Rabat – Mit der geplanten Reform des Handelsgesetzbuchs will die marokkanische Regierung nach eigenen Angaben das Vertrauen in den Scheck als Zahlungsmittel wiederherstellen. Der Gesetzentwurf, den der Ministerrat in der vergangenen Woche verabschiedet hat, sieht vor allem Änderungen bei der Behandlung ungedeckter Schecks vor.

Justizminister Abdellatif Ouahbi und Regierungssprecher Mustapha Baitas erklärten bei einer Pressekonferenz, Ziel des Vorhabens sei die „Sanierung des Rechtsrahmens“ und die „Stärkung der Glaubwürdigkeit“ des Schecks. Durch die Reform solle das Zahlungsmittel wieder an Bedeutung gewinnen, Investitionen gefördert und die Gerichte entlastet werden.

Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich: Die Maßnahmen, die unter dem Schlagwort „Vertrauen“ angekündigt wurden, reduzieren vor allem die strafrechtlichen Risiken für Scheckaussteller – während Empfänger augenscheinlich kaum zusätzlichen Schutz erhalten werden.

Deutlich geringere Strafen bei ungedeckten Schecks

Zentrales Element der Reform ist die Abmilderung von Sanktionen im Fall nicht gedeckter Schecks. Bislang drohten den Ausstellern hohe Strafgebühren und in vielen Fällen Haftstrafen. Nach den neuen Bestimmungen soll die Begleichung des Scheckbetrags plus einer Geldstrafe von zwei Prozent ausreichen, um das Verfahren endgültig zu beenden.

Zudem wird ein System gütlicher Einigungen in allen Verfahrensphasen eingeführt, das zu einer Einstellung von Strafverfahren führen kann, sobald eine Zahlung erfolgt. Auch familiäre Streitfälle – etwa zwischen Ehepartnern oder Verwandten – werden künftig von der Strafverfolgung ausgenommen.

Die Regierung argumentiert, dies schaffe „rechtliche Klarheit“ und ermögliche eine „schnellere Konfliktlösung“. Tatsächlich dürfte die Reform aber vor allem eines bewirken: eine erhebliche Entlastung der Gerichte, die bisher mit einer großen Zahl von Scheckverfahren konfrontiert waren.

Widerspruch zwischen Ziel und Wirkung

Nach Angaben der Bank Al-Maghrib gab es 2024 rund 30 Millionen Schecktransaktionen im Wert von 1.319 Milliarden Dirham. Knapp eine Million Schecks wurden mangels Deckung abgelehnt. Zwischen 2022 und Mitte 2025 führten 180.223 Anzeigen zu Strafverfahren gegen 76.936 Personen, darunter 58.710 Inhaftierte.

Angesichts dieser Zahlen ist der Reformbedarf unbestreitbar. Doch die gewählten Mittel werfen Fragen auf.
Denn: Wie soll das Vertrauen in den Scheck wachsen, wenn die rechtlichen Konsequenzen für Fehlverhalten gleichzeitig abgemildert werden?
Empfängerinnen und Empfänger von Schecks erwarten vor allem Sicherheit und Verlässlichkeit, nicht Nachsicht gegenüber säumigen Zahlern.

Anstelle von Vertrauen durch Sanktionen setzt die Regierung auf Vertrauen durch Entkriminalisierung – eine Logik, die eher dem Funktionieren der Institutionen dient als dem Schutz der Zahlungsempfänger.

Fehlende Schutzmechanismen für Empfänger

Der entscheidende Kritikpunkt lautet daher: Die Reform stärkt nicht das Vertrauen in die Deckung des Schecks, sondern lediglich in die Verwaltung seiner Folgen.
Wer einen ungedeckten Scheck erhält, profitiert von keinem zusätzlichen Sicherheitsmechanismus – weder von einer garantierten Rückzahlung durch die Bank noch von einer vorherigen Bonitätsprüfung des Ausstellers.

Eine Alternative wäre, wie manche Wirtschaftsexperten vorschlagen, die Einführung von beglaubigten Schecks ab einer bestimmten Summe, etwa ab 100.000 Dirham. Solche Schecks würden von Banken erst dann ausgestellt, wenn die Deckung tatsächlich vorhanden ist – eine Maßnahme, die das reale Risiko für den Empfänger deutlich senken könnte.

Solche Instrumente finden in anderen Ländern Anwendung und kombinieren Vertrauen und Kontrolle, während das marokkanische Modell vor allem auf die Reduktion von Haftandrohungen setzt.

Vertrauen durch Funktion oder durch Verantwortung?

Die Reform offenbart letztlich zwei unterschiedliche Verständnisse von Vertrauen:
Die Regierung strebt ein systemisches Vertrauen an – also das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems, in schnellere Verfahren und berechenbare Abläufe.
Im Geschäftsverkehr jedoch zählt das individuelle Vertrauen nicht minder: die Gewissheit, dass ein Scheck tatsächlich gedeckt ist.

Solange hier keine neuen Sicherungsmechanismen geschaffen werden, bleibt offen, ob die Reform tatsächlich zu mehr Vertrauen führt – oder ob sie den Scheck lediglich bequemer für die Aussteller, aber riskanter für die Empfänger macht.

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