StartMarokkoMarokko – Staatsverschuldung nähert sich 1.000 Mrd. MAD

Marokko – Staatsverschuldung nähert sich 1.000 Mrd. MAD

Chronisches Haushaltsdefizit bei sinkendem Wirtschaftswachstum und hohen Risiken für die Staatskasse

COVID-19 Pandemie und Krieg in Europa lassen marokkanische Staatsschulden weiter ansteigen. Schwierige Lage auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten erhöhen Kosten für Marokko.

Rabat – Laut einem Bericht des marokkanischen Nachrichtenmagazins Telquel analysierte die Attijari Global Research (AGR), dass sich die marokkanischen Staatsschulden bis Ende 2022 auf rund 960 Mrd. marokkanische Dirham MAD oder ca. 91,06 Mrd. EURO angehäuft haben werden, gegenüber 886 Mrd. MAD bzw. 84,04 Mrd. EURO im Jahr 2021.

Insbesondere in Folge der COVID-19 Pandemie und nun verstärkt durch den Krieg in Europa steigen die Schulden des marokkanischen Staates. Aber auch die Einführung eines neuen Sozialschutzsystems, bestehend aus Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung auch für Selbständige, sowie die gestiegenen Rüstungsausgaben des Landes, belasten den Staatshaushalt.

Der Trend dürfte sich in absehbarer Zeit nicht umkehren, sondern eher noch beschleunigen. Der Nominalbetrag der Schulden des Schatzamtes schlägt sich laut AGR in einem Verhältnis Schulden/BIP von 80,6% nieder, was einem Anstieg von 8,3% innerhalb eines Jahres entspricht, nach einem Anstieg von 6,5% im Jahr 2021, als das Verhältnis bei 75,8% lag.

Chronisches Haushaltsdefizit bei sinkendem Wirtschaftswachstum und hohen Risiken für die Staatskasse

Bei einem geschätzten Staatsdefizit von fast 5,9% im Jahr 2022 dürfte der Bedarf des Schatzamtes weiter steigen. Die Einschätzung von AGR könnte sogar eher konservativ ausgefallen sein, da die Analysten von einem Wirtschaftswachstum im Einklang mit der jüngsten Regierungsprognose von +1,7% ausgehen.

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Die Einschätzung der marokkanischen Regierung wird nicht von allen Institutionen geteilt. Der Internationalen Währungsfonds und die marokkanische Zentralbank gehen von einem geringeren BIP-Wachstum aus. Der Weltbank zufolge wird das marokkanische Wachstum 2022 voraussichtlich nicht über 1,1% hinausgehen. Die Ende März veröffentlichten Prognosen der Bank Al-Maghrib gehen von einem Wachstum von 0,7% aus.
Bei einem Schuldenstand von 960 Mrd. MAD dürfte das Verhältnis von Schulden zum BIP Ende 2022 also eher bei 81% oder 82% als bei 80% liegen.

Marokko – Zentralbank geht von Wachstumseinbruch der Volkswirtschaft aus.

Wenn man die staatlich abgesicherten Kredite (Bürgschaften) hinzurechnet, die sich laut HCP auf 14,7% des BIP belaufen, dürfte die Gesamtverschuldungsquote bei etwa 96% des BIP liegen. Eine Schätzung, in der die schlechten Nachrichten, die sich in den letzten Wochen häuften, noch nicht berücksichtigt sind.

Das erwartete Defizit des ONEE, das von seinem Direktor auf 24 Mrd. MAD im Jahr 2022 geschätzt wird, dürfte größtenteils aus dem Staatshaushalt gedeckt werde müssen, was sich entsprechend auf die Staatsverschuldung auswirken wird.

Insgesamt wäre man unter Umständen am Ende des Jahres bei nahezu 1.000 Mrd. MAD bei einem Bruttoinlandsprodukt BIP von 1.050 Mrd. MAD.

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Finanzbedarf des Staates führt zu steigenden Zinsforderungen der möglichen Kreditgeber.

Der Finanzbedarf des marokkanischen Staats hat sich bereits auf dem Rentenmarkt bemerkbar gemacht. Den jüngsten Daten der Zentralbank zufolge stiegen die gewichteten Durchschnittszinsen Ende Februar 2022 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 leicht an, obwohl die BAM der Ansicht ist, dass die Finanzierungsbedingungen für das Finanzministerium auf dem Auktionsmarkt insgesamt günstig bleiben“.

Laut dem Bericht der Zentralbank zur Geldpolitik stiegen die Zinsen im ersten Quartal „um 12 Basispunkte (bp) auf 2,08% für 5-jährige Laufzeiten, um 11 bp auf 1,82% für 2-jährige Laufzeiten, um 7 bp auf 2,43% für 10-jährige Schuldverschreibungen und um 5 bp auf 2,70% für 15-jährige Schuldverschreibungen“. Dieser Trend wird sich angesichts des steigenden Bedarfs des Finanzministeriums in einem sehr angespannten internationalen Umfeld wahrscheinlich noch verstärken.

Geld vor allem von inländischen Anlegern, aber auch Ausschuldschulden steigen an.

Von den 152 Mrd. MAD, die das Finanzministerium ggf. gezwungen sein könnte, zu beschaffen, sollen 37,5 Mrd. MAD aus dem Ausland kommen, so die Analyse weiter. Der Rest soll auf dem inländischen Rentenmarkt (Markt für Kreditpapiere) aufgenommen werden.

Gerade das Klima auf den internationalen Kapitalmärkten trübt sich deutlich ein. Zumindest in den USA ist die Zeit des billigen Geldes wohl vorbei, nach dem die Zentralbank FED den Leitzins begonnen hat anzuheben. Angesichts der Inflation wird die Europäische Zentralbank EZB in Frankfurt am Main spätestens im Sommer nachziehen müssen.

Beides wird, zusätzlich zu den neuen Unsicherheiten in der internationalen Sicherheitsarchitektur, bedingt durch den weiter anhaltenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie den damit langfristigen Spannungen zwischen Moskau, der EU und den USA sowie den wachsenden Spannungen mit China, die Beschaffungskosten von Krediten für Marokko erhöhen.

Aber nicht nur die Kosten auf dem ausländischen Rentenmarkt werden in Form von steigenden Zinsen steigen. Auch die sich bereits abzeichnenden Zinssteigerungen in Marokko selbst könnten sich weiter verstärken, da auch die marokkanische Zentralbank gezwungen ein könnte, die Leitzinsen anzuheben, um gegen die Inflation vorgehen zu können, sobald diese nicht mehr nur von externen Effekten getrieben sein wird.

Regierung zeigt sich gelassen.

In den Ministerien der marokkanischen Regierung zeigt man sich dennoch gelassen. Zwar kann es passieren, dass Marokko seinen Kapitalbedarf, aufgrund der beschriebenen Bedingungen, nicht auf dem freien Kapitalmarkt decken kann oder will, aber es gibt Alternativen.

So könnte sich das nordafrikanische Königreich auf bilaterale Kredite stützen, z.B. bei der AfDB (Afrikanische Entwicklungsbank), dem IWF oder bei befreundeten Staaten, wie die Golf-Staaten oder der EU.

Hinzu kommt, dass das Königreich über signifikante Devisenreserven verfügt, die den Wert der Landeswährung Dirham stützen und es Kreditwürdig machen.

Neben den Exporten von landwirtschaftlichen Produkten und von Phosphat hofft man, auf steigende Einnahmen durch den sich langsam wieder erholenden Tourismus. Zusätzlich scheint sich das Land auf seine im Ausland lebenden Staatsangehörigen verlassen zu können, die mehr als 9 Mrd. EURO oder 100 Mrd. MAD an Transferzahlungen aus dem Ausland im Jahr 2021 geleistet haben.

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Mit demonstrativer Gelassenheit erläuterte der marokkanische Premierminister Aziz Akhennouch, am 18. April 2022 vor dem Parlament, dass Marokko trotz der aktuellen Situation weder die Zahlung seiner Schulden ausgesetzt, noch neue Kredite in Anspruch genommen oder den IWF um die Erneuerung der Liquiditäts- und Vorsorgelinie (LPL) ersucht habe. Marokkos Situation ist vergleichsweise in der Region noch relativ komfortabel, insbesondere im Vergleich zu Tunesien, Ägypten, Jordanien oder dem defacto insolventen Libanon.

Marokko muss Außenhandelsdefizit senken und den Wert je Einheit seiner Exporte steigern.

Das marokkanische Regime hat aus den Erfahrungen des sog. arabischen Frühlings gelernt. Anders als gerne erläutert, war nicht das Streben nach mehr Demokratie der wichtigste Auslöser der Revolutionen, sondern überwiegend das wirtschaftliche Leid der Menschen, weshalb in der Literatur auch gerne von den Brotrevolutionen gesprochen wird.

Entsprechend setzt sich die eigentlich wirtschaftsliberale Regierung, unter Führung der RNI, für die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger ein, in dem man in Rabat einen Teil der internationalen Preissteigerungen für Energie und Weizen durch Subventionen auffängt. Entsprechend wächst das Außenhandelsdefizit an, welches nach aktuellen Angaben bei mehr als 60 Mrd. MAD in 2022 liegt (Stand März 2022).

Zugleich wachsen die Subventionsausgaben mit den steigenden Preisen für Rohstoffe am Weltmarkt.
Daher wird es für das Königreich sehr wichtig sein, das Außenhandelsdefizit abzusenken, wobei es nicht möglich scheint, die Versorgungssicherheit einzuschränken oder Preissteigerungen, vor allem bei Lebensmitteln und Medikamenten, weiterzugeben.

Entsprechend investiert man in Marokko mittel- und langfristig in den Aufbau einer eigenen Pharmaindustrie, setzt auf erneuerbare Energieträger und versucht mit israelischer Hilfe das Wassermanagement zu verbessern, um den Ertrag in der Landwirtschaft anheben zu können.

Das Außenhandelsdefizit lässt sich nicht nur durch geringere Importe senken, sondern durch einen Anstieg der Exporte, mengen- wie wertmäßig. Dabei setzt das Land auf die Automobilindustrie, die sich aber nicht gerade beeilt, auf die wachsende Elektromobilität zu setzen. Zugleich will man zum Exporteur von grüner Energie und Erdgas in Richtung Europa werden.

Doch ein großes Potential für Wirtschaftswachstum wird in der gesamten Region des Maghreb, zum Schaden vor allem der jungen Bevölkerung, verschwendet, nämlich dem Handel zwischen den Ländern der Region selbst. Dies setzt aber eine Lösung der Konflikte zwischen Algerien und Marokko sowie in Libyen voraus. Dies ist nicht absehbar.

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