Nach Jahrzehnten der Boeing-Dominanz mehren sich die Anzeigen für eine Rückkehr der Royal Air Maroc RAM zum europäischen Hersteller Airbus – ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel mit Signalwirkung
Rabat – Nach über zwei Jahrzehnten nahezu ausschließlicher Zusammenarbeit mit Boeing soll Royal Air Maroc (RAM) die Rückkehr zur europäischen Airbus-Flotte vorbereiten. Wie mehrere Quellen, darunter die französische Zeitung La Tribune, berichten, könnte der europäische Hersteller in Zukunft wieder Flugzeuge an die staatliche marokkanische Fluggesellschaft liefern – ein Schritt mit wirtschaftlicher und politischer Tragweite für das Königreich Marokko und seine Beziehungen zur EU und vor allem zu Frankreich. Das Auftragsvolumen beträgt mehrere Milliarden US-Dollar, da die RAM eine erhebliche Aufstockung seiner Flotte plant.
Historisch gesehen ist Airbus kein Neuling bei RAM. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren setzte die Airline unter anderem Airbus A310-300 ein. Auch einzelne A321 waren zeitweise Teil der Flotte, bevor sich RAM zu Beginn der 2000er-Jahre strategisch auf Boeing ausrichtete. Nun deutet sich eine Rolle rückwärts im Sinne wirtschaftlicher Diversifikation an.
Neue Dynamik in den französisch-marokkanischen Beziehungen
Die geplante Annäherung an Airbus ist nicht isoliert zu betrachten. Sie fällt in eine Phase intensiver diplomatischer Bestrebungen zwischen Marokko und Frankreich, die nach Jahren angespannter Beziehungen wieder enger zusammenarbeiten wollen. Ein offizieller Staatsbesuch von Präsident Emmanuel Macron in Rabat fand im Oktober 2024 statt, markierte das Ende der diplomatischen Spannungen zwischen Paris und Rabat und führte zur Unterzeichnung zahlreicher politischer wie auch wirtschaftlicher Abkommen.
Wirtschaftlich ist Frankreich darauf bedacht, seine Rolle als strategischer Partner Marokkos auszubauen – etwa beim Ausbau des Hochgeschwindigkeitszugnetzes, wo französische Firmen wie Alstom und Colas bereits aktiv sind. Auch im Luftfahrtsektor bietet sich nun eine neue Gelegenheit zur Kooperation.
Anzeichen für Annäherung zwischen RAM und Airbus bereits Ende 2024
Bereits im Oktober 2024 hatte die MAGHREB-POST in einem Beitrag auf die mögliche Rückkehr von Royal Air Maroc zu Airbus hingewiesen. Der Bericht verwies dabei auf den damals bevorstehenden Besuch von Präsident Macron in Rabat und sah die Luftfahrt als potenziellen Bereich für eine Wirtschaftsannäherung nach diplomatischen Spannungen zwischen beiden Ländern. Die Analyse beruhte auf mehreren Faktoren: Frankreichs Interesse an einer strategischen Rolle im marokkanischen Transportwesen, die Lieferverzögerungen und Qualitätsprobleme bei Boeing sowie Marokkos Ziel, seine eigene Luftfahrtindustrie auszubauen.
Marokko – Mögliche Rückkehr von Royal Air Maroc (RAM) zu Airbus
Laut MAGHREB-POST könnte Macron dabei als politischer Fürsprecher für Airbus agieren und Marokko im Gegenzug Anreize wie Preisnachlässe oder technologische Zusammenarbeit, etwa beim Aufbau eines Wartungs- und Ausbildungszentrums, in Aussicht stellen. Damit hätte sich das Blatt für Airbus gedreht – und Marokkos Luftfahrtpolitik gleich mit.
RAM plant Flottenausbau – Airbus soll Teil des Erneuerungsprogramms werden
Der geplante Schritt zur Re-Integration von Airbus ergibt sich auch aus den ambitionierten Wachstumszielen von RAM. Die Fluggesellschaft, die aktuell rund 60 Maschinen betreibt – überwiegend Boeing 737 NG und 737 MAX – will ihre Flotte bis 2037 auf 200 Flugzeuge erweitern. Damit soll die Transportkapazität deutlich erhöht werden, um Marokkos Tourismusstrategie 2030 zu unterstützen, die jährlich bis zu 26 Millionen Besucher anziehen soll.
Im Rahmen des Flottenausbaus hat RAM eine internationale Ausschreibung gestartet, bei der Boeing, Airbus und Embraer im Rennen sind.
Lieferprobleme bei Boeing und politische Signale aus Paris
Neben diplomatischen Erwägungen spielt auch die derzeitige Schwäche des Boeing-Konzerns eine zentrale Rolle bei der Entscheidung. RAM wartet aktuell auf zwei bestellte Dreamliner, deren Lieferung sich verzögert – ein Risiko für die angestrebte internationale Expansion. Die technischen Probleme und juristischen Auseinandersetzungen rund um Boeing-Produkte haben das Vertrauen der Airline in den US-amerikanischen Hersteller geschwächt.
Airbus kann derzeit mit verlässlicheren Lieferketten und passenden Modellen wie dem A321 oder A350 punkten – letzterer gilt als mögliche Alternative zum Boeing 787 Dreamliner. Zudem soll Frankreich bereit sein, Attraktivitätsanreize zu schaffen, darunter Preisnachlässe und die Unterstützung beim Aufbau eines Luftfahrt-Wartungs- und Ausbildungszentrums in Marokko. Das Land strebt in diesem Bereich eine Führungsrolle auf dem afrikanischen Kontinent an.
Verhandlung über Startrechte in Frankreich noch offen
Trotz der augenscheinlich weit gediegenen Gespräche könnte ein wesentlicher Punkt offenbleiben, der das Geschäft erschweren könnte. Die Royal Air Maroc wünscht sich schon länger mehr Start- und Landerechte auf französischen Flughäfen, insbesondere in Paris-Orly. Die marokkanische Seite verweist auf das Prinzip der Gegenseitigkeit, da französische Airlines wie Air France und Transavia in Marokko uneingeschränkt operieren. Ohne Bewegung in dieser Frage könnte sich die finale Vertragsunterzeichnung verzögern.
Symbol einer wirtschaftlichen Neuausrichtung
Die Rückkehr von Airbus in die Flotte von Royal Air Maroc ist mehr als eine bloße Flottenentscheidung. Sie steht symbolisch für die wirtschaftliche und geopolitische Neuausrichtung Marokkos, das sich zunehmend als unabhängiger und vielseitig vernetzter Akteur in Nordafrika positioniert.
Durch die Wiederannäherung an Frankreich, die Öffnung gegenüber Airbus und die aktive Rolle bei internationalen Infrastrukturprojekten sendet das Land ein klares Signal: Marokko will in der Region eine zentrale Rolle spielen – nicht nur als Transportdrehscheibe, sondern auch als strategischer Industriepartner im Luftfahrtsektor.
Reaktion aus Washington noch nicht bekannt.
Bleibt abzuwarten, wie ein solcher Schritt in Washington bei Präsident Trump aufgefasst wird. Der US-Amerikanische Flugzeughersteller Boeing gilt in den USA als strategisches Unternehmen und ist in der Politik gut vernetzt. Zur Lobby-Arbeit von Boeing gehörte es bereits in der Vergangenheit, die US-Administration einzubinden. Präsident Trump scheut sich bekanntlich nicht, öffentlich Druck auf andere Länder auszuüben, wenn es um Geschäftsinteressen geht. Dabei haben die USA mehrere Möglichkeiten, beginnend bei Waffenlieferungen, über die Unterstützung Marokkos im UN-Sicherheitsrat in der Westsahara-Frage, bis hin zu Handelszöllen. Marokko könnte im Gegenzug für den Deal mit Airbus weitere Rüstungsgüter in den USA erwerben, um mögliche negative Reaktionen abzumildern.