Die HIYA-Bewegung organisiert am Sonntag zur Moudawana-Reform eine Demonstration in Casablanca
Casablanca – Die Reform des marokkanischen Familienrechts, der Moudawana, ist ein Thema in der marokkanischen Gesellschaft, welches die Gemüter schnell erregt.
Das Königreich Marokko ist ein islamischer Staat und der Islam ist auch offizielle Staatsreligion. Entsprechend gelten die Regeln des sog. islamischen Rechts mindesten als Grundlage, insbesondere im Standes- und Familienrecht. Daher muss jede Rechtsvorschrift auf ihre Vereinbarkeit mit dem Wortlaut und einer nachvollziehbaren Interpretation abgeglichen werden.
Zugleich ist auch Marokko, wie alle Länder der Welt, einer ständigen gesellschaftlichen Entwicklung ausgesetzt, die neue Fragen und Interpretationsstränge hinsichtlich der Gesetze und ihrer Basis aufwirft.
So ist man sich zumindest in der politischen Führung und in Teilen der intellektuellen Eliten in Marokko bewusst, dass z.B. die Rechte der Frauen gestärkt werden müssen, wenn das Land eine positive / moderne gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung nehmen soll.
Dies sieht auch König Mohammed VI. so, der nur wenige Jahre nach seiner Thronbesteigung eine erste Reform des Familienrechts (2004) umsetzte und dabei vor allem das Scheidungsrecht änderte, dann 2011 in der Verfassung die Gleichstellung zwischen Mann und Frau festlegen lies und in einer Rede im vergangenen Jahr erneut eine Prüfung und Anpassung des Familienrechts von der Regierung, den Abgeordneten und den Vertretern der Zivilgesellschaft forderte, um die Rechte der Frauen weiter zu stärken, die weiterhin offensichtlich gegenüber den Männern im Nachteil sind.
Diese Forderung verband er aber, in seiner Rolle nicht nur als politisches Staatsoberhaupt sondern auch als religiöse Instanz, mit der Einschränkung, dass alle Reformen mit den Grundsätzen des Islam vereinbar sein müssen.
Frauenrechtsgruppen wollen auf eigene Positionen aufmerksam machen.
Vor diesem geschilderten Hintergrund stehen sich seit Jahrzehnten zwei Lager, bestehend sowohl aus Frauen wie Männern, gegenüber. Auf der einen Seite die liberal und intellektuell geprägten Gruppen, die mehr individuelle Freiheiten fordern und die Traditionalisten und islam-konservative Kreise, die in einer engen Interpretation der Worte im Islam das Familienrecht (Moudawana) verstanden wissen wollen. Immer wieder kommt es, zu Demonstrationen der ein oder anderen Seite, um auf den jeweiligen eigenen Standpunkt aufmerksam zu machen.
Am kommenden Sonntag, den 25. Juni 2023, organisiert die HIYA-Bewegung in Casablanca eine Demonstration für die „Rechte der Frauen“. Die Bewegung fordert unter anderem eine Reform der Moudawana und die Einführung eines wirksamen Schutzes vor Gewalt gegen Frauen.
Nach Angaben der Organisatoren handelt es sich, um einen „historische Demonstration“ der HIYA-Bewegung.
Für Sonntag, den 25. Juni 2023 um 17 Uhr Ortszeit rufen die „Feministinnen“ der Bewegung zu einer öffentlichen Demonstration für die Rechte der marokkanischen Frauen auf dem Platz der Vereinten Nationen in Casablanca auf. Alle sind eingeladen, sich zu versammeln und ihre Stimme zu erheben.
Die Frauenrechtlerinnen der HIYA-Bewegung fordern eine umfassende Revision der Moudawana. Darüber hinaus fordert die Bewegung ein Familienrecht, das „Kinderehen verbietet und bestraft“. Das Wohl des Kindes müsse im Mittelpunkt von Gesetzgebung und Rechtsprechung stehen, so die Organisatorinnen.
Zu den Forderungen der HIYA-Bewegung gehört auch die Einführung der gemeinsamen elterlichen Sorge, des gemeinsamen Sorgerechts und der gemeinsamen Verantwortung. Auch die Rolle der Frau im Haushalt soll aufgewertet werden.
„Wir fordern ein Familiengesetzbuch mit einer gerechten Regelung des Erbrechts, die Anerkennung der Ehe einer marokkanischen Frau mit einem Nicht-Muslim, ein Verbot der Polygamie und einen Bruch mit den veralteten Formen der Scheidung“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bewegung. Darüber hinaus fordert die HIYA-Bewegung die Einführung eines effektiven Schutzsystems gegen Gewalt an Frauen und Femizide (Anm. d. Autors – Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts). Außerdem fordert sie die Legalisierung des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs (Abtreibung).
HIYA-Bewegung versteht sich selbst als überparteiliche Organisation.
Die HIYA-Bewegung ist nach eigenen Angaben eine überparteiliche, für alle offene Vereinsbewegung mit einem generationenübergreifenden, integrativen und horizontalen Ansatz.