Ein langjähriger Wirtschaftsprozess geht nun zu Ende. Der Telekommunikationskonzern akzeptiert das Urteil wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens und zahlt an Inwi 6,3 Mrd. MAD Schadensersatz.
Rabat – Einer der größten und teuersten Wirtschaftsprozesse Marokkos scheint nun zu Ende gegangen zu sein.
Am 3. Juli 2024 wurde Maroc Telecom in einem Berufungsverfahren wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens zur Zahlung von 6,3 Milliarden marokkanischen Dirham MAD an den Wettbewerber Inwi als Schadensersatz verurteilt.
Marokkos größter Telekommunikationskonzern hatte vom Gericht eine Frist von 10 Tagen eingeräumt bekommen, um den Betrag zu begleichen, und kam der Forderung nach Medienberichten wohl fristgerecht nach, obwohl ein Sprecher nach der Urteilsverkündung noch eine Beschwerde vor dem Kassationsgericht angekündigt hatte.
Wie das marokkanische Nachrichtenportal Le360 erfahren haben will, wurde die Zahlung bereits im Juli geleistet, wodurch Maroc Telecom ein Zwangsinkassoverfahren vermieden hat.
Marokko – Gericht verurteilt Maroc Telecom (IAM) zu 6,3 Mrd. MAD Schadensersatz an Wana Group (Inwi)
Höchste von einem marokkanischen Gericht gegenüber einem Telekommunikationsanbieter verhängte Strafe.
Die Strafe von 6,3 Mrd. MAD, ca. 582,61 Mio. €, ist die bislang höchste Strafzahlung für einen Telekommunikationsanbieter in Marokko. Sie entspricht einem zweistelligen Prozentanteil des Umsatzes von Itissalat Al-Maghrib (IAM), wie die Maroc Telecom offiziell heißt, im Jahr 2023 und übersteigt den Gewinn von 6,1 Mrd. MAD aus dem letzten Jahr. Ein harter Schlag für den ehemaligen Staatskonzern, der sich inzwischen mehrheitlich im Besitz der Etisalat Group (Emirates Telecommunications Corporation mit ca. 53%), die seit 2022 zum Mutterkonzern Etisalat by e& gehört, befindet.
Weiterhin gehören dem marokkanischen Staat ca. 22% der Anteile. Die weiteren ca. 25% der Aktien befinden sich im Streubesitz, die sowohl an der marokkanischen Börse in Casablanca als auch an der Börse Euronext Paris in Frankreich gehandelt werden.
Der Konzern erhielt bereits im Januar 2020 eine Geldstrafe in Höhe von 3,3 Mrd. MAD, nachdem erneut Inwi, die Nummer drei im marokkanischen Telekommunikationsmarkt, die Nationale Agentur für die Regulierung der Telekommunikation (ANRT) eingeschaltet hatte. Die Regulierungsbehörde verhängte die Geldstrafe, nachdem Analysen ergaben, dass „mehrere Verhaltensweisen (…) den Zugang von Wettbewerbern zur Entbündelung und zum Festnetzmarkt verhindert und verzögert haben“.
Dabei ging es vorrangig um die Nutzung von bereits zu Zeiten des staatlichen Monopols aufgebauten Leitungen bis in die Häuser und vor allem Unternehmen, die sogenannte letzte Meile, zu denen man als Anbieter Zugang haben muss, will man Kunden ein Angebot machen können.
Hier sah sich Inwi, die zur Wana Group, die wiederum im Eigentum der kuwaitischen Unternehmensgruppe Zain ist, und zur Al Mada Holding, der königlichen Investmentgesellschaft, gehört, beim Aufbau von Breitbandangeboten durch den ehemaligen Staatskonzern, dem die Festnetzinfrastruktur überwiegend gehört, behindert. Der gleiche Tatbestand führte im Juli, nach mehreren Jahren des Rechtsstreites zur Schadensersatzzahlung an Inwi.
Kritik am Vorstandsvorsitzenden Abdeslam Ahizoune wächst.
Der größte Telekommunikationskonzern des nordafrikanischen Königreiches Marokko hatte in den letzten Jahren zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, die auch an die Entwicklung der Deutschen Telekom nach ihrer Aufspaltung und Privatisierung erinnern.
Trotz der Privatisierung hatte man behördenähnliche Strukturen, einen großen Personalbestand, starke Gewerkschaften und einen aufkommenden Mobilfunk- und Internetmarkt. All dies in einem von der Bevölkerungszahl und der gegebenen Kaufkraft begrenzten Markt und der Notwendigkeit benötigte Technologien für teure Devisen importieren zu müssen.
Abdeslam Ahizoune übernahm 2001 das Ruder im Konzern. Zu seinen Verdiensten gehören sicherlich der Erhalt der Stellung im marokkanischen Markt, die Modernisierung des Unternehmens, die Umsatzsteigerungen sowie die meist erfolgreiche Expansion auf dem afrikanischen Kontinent, was die Maroc Telecom auch zu einem wichtigen politischen Instrument für Marokko gemacht hat, um afrikanische Staaten an sich zu binden.
Es gibt aber auch Kritik. So werfen ihm Beobachter einen autoritären Führungsstil vor. Zugleich verlor IAM Marktanteile an die Konkurrenten Orange und Inwi.
In den letzten Jahren kamen nun mehrere Strafzahlungen während seiner Amtszeit hinzu.
Alleine diese Verfahren haben den Konzern über 12 Mrd. MAD an Strafzahlungen gekostet. Unbekannt ist, wie viel Umsatz Maroc Telecom durch die nun gerichtlich festgestellten Wettbewerbsverstöße erwirtschaftet hat, der aber die Strafzahlungen aufwiegen könnte.
Genau diesen Gedanken scheinen die Aktionäre zu haben, denn der Kurs der Aktie hat sich positiv entwickelt. Während die Aktie im Jahr 2019 bei 150 MAD pro Stück lag, steht sie im September 2024 bei über 200 MAD. Nach Medienberichten habe die Maroc Telecom in den letzten 20 Jahren und damit unter der Führung von Abdeslam Ahizoune Dividendenzahlungen von ca. 120 Mrd. MAD an seine Anteilseigner ausgeschüttet, was auch die Staatskasse gefreut haben dürfte. Die jetzigen Strafsummen sind daher nur ca. 10% der Rendite auf Aktienbasis in den letzten 20 Jahren.
Im kommenden Jahr muss sich Abdeslam Ahizoune der Wiederwahl durch die Aktionäre stellen. Es bleibt abzuwarten, was den Anteilseignern wichtig erscheint, dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden für die hohen Renditen die Loyalität zu schenken oder ob er nur daran gemessen wird, welche Strafen der Konzern zuletzt zahlen musste. Wichtig wird auch sein, welche Zukunftsstrategien der Konzernchef hat. Hier werden Themen wie Breitbandtechnologie sowie der Aufbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes eine große Rolle spielen.