Ein deutsch-marokkanischer Doppelstaatsbürger steht unter Verdacht, für den marokkanischen Geheimdienst Oppositionelle in Deutschland ausspioniert zu haben. Während die Bundesanwaltschaft die Vorwürfe konkretisiert, dementiert Marokko jede Verbindung zu dem Fall.
Karlsruhe – Der Generalbundesanwalt hat Anfang 2025 die Festnahme eines deutschen Staatsbürgers, der auch die marokkanische Staatsbürgerschaft hat, in Frankfurt am Main bestätigt. Der Mann wird beschuldigt, als Agent für einen marokkanischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe habe der Verdächtige systematisch Informationen über marokkanische Oppositionelle in Deutschland gesammelt und an die Behörden in Rabat weitergeleitet. Grundlage der Anklage ist der Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 StGB.
„Es besteht der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte über längere Zeit hinweg Exil-Marokkaner ausspioniert hat, die der Regierung in Marokko kritisch gegenüberstehen“, heißt es in der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft. Die Ermittlungen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) durchgeführt. Der Fall ist Teil verstärkter Bemühungen deutscher Sicherheitsbehörden, gegen ausländische Einflussnahme vorzugehen.
Der nun festgenommene Doppelstaatsbürger Youssef El A. saß bereits seit Anfang Dezember 2024 in spanischer Auslieferungshaft. In Spanien wurde er aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen.
Marokkanisches Dementi
Die marokkanische Regierung hat die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. In einer Erklärung gegenüber AFP, die unter anderem auf der Nachrichtenseite le360.ma zitiert wurde, betonte ein Sprecher des Außenministeriums: „Der marokkanische Staat hat keinerlei Verbindung zu dem in Deutschland festgenommenen Verdächtigen.“ Die marokkanische Seite deutete zudem an, dass der Vorfall Teil einer Kampagne sein könnte, um Marokkos Ruf auf internationaler Ebene zu schädigen. Gleichzeitig betonte Marokko in seiner Stellungnahme die Bereitschaft zu internationaler Zusammenarbeit.
Informationen aus Überwachung und Spionage als wichtiges Gut der Diplomatie
Unabhängig von diesen Differenzen könnte der Fall erneut ein allgemeines Schlaglicht auf die Sicherheitslage von Exil-Oppositionellen aus vielen Ländern in Deutschland werfen. Immer wieder sehen sich Oppositionelle, Juristen, Journalisten, Blogger oder andere kritische Stimmen Überwachungen und Spionage ausgesetzt.
Der aktuelle Fall wird wohl keine allzu große politische Dimension bekommen, wie ein ähnlicher Vorfall im Jahr 2023 zeigte. Damals wurde ein Marokkaner aus Burscheid wegen Agententätigkeit zu einer Haftstrafe von 21 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte vor Gericht eingeräumt, im Auftrag des marokkanischen Auslandsgeheimdienstes die sogenannte Hirak-Opposition in Deutschland ausspioniert zu haben. Sowohl im aktuellen Fall als auch 2023 hielt sich die politische Dimension in Grenzen. Deutschland hatte sich erst nach Amtsantritt von Außenministerin Baerbock mit Marokko versöhnt und eine lange, schwierige diplomatische Krise beendet. Zugleich war der deutsche Staat selbst nicht Ziel der Ausspähung, auch wenn einige der Zielpersonen die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen.
Viele Länder profitieren auch von den Fähigkeiten und ausgeklügelten Methoden marokkanischer Geheimdienste. Marokko hat sich immer wieder als wichtiger Partner bei der Bekämpfung von Terrorismus, bei Ermittlungen von Straftaten oder als Vermittler bei Geiselbefreiungen bewährt. Dass solche wichtigen Informationen auch beschafft werden müssen und anschließend als wertvolles Gut im Aufbau diplomatischer Beziehungen dienen, ist unbestreitbar. Entsprechend wird man „befreundeten Diensten“ etwas mehr Spielraum gewähren, ggf. eigene Interessen zu verfolgen. Daher dürfte der Fall während des aktuellen Bundestagswahlkampfs in Deutschland kaum größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.