StartMarokkoMarokko – Agrar- und Fischereiabkommen mit der EU rechtswidrig.

Marokko – Agrar- und Fischereiabkommen mit der EU rechtswidrig.

Marokko geht aus einer Position der Stärke in die kommenden Verhandlungen mit der EU.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht in dem 2019 vereinbarten Agrar- und Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und Marokko eine Verletzung der Rechte des sahraouischen Volkes.

Luxemburg – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sein Urteil in den Rechtsangelegenheiten C-778/21 P und C-798/21 P sowie in C-779/21 P und C-799/21 P bekanntgegeben. Hinter diesen Verfahrenskennnummern verbirgt sich nichts anderes als der Rechtsstreit um das 2019 zwischen der Europäischen Union und Marokko unterzeichnete Agrar- und Fischereiabkommen. Geklagt hatten Unterstützer der sogenannten Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS), die Marokko das Recht absprechen, Abkommen oder Verträge abzuschließen, die sich auf das Gebiet der sogenannten Westsahara / marokkanischen Sahara erstrecken.

Der EuGH urteilte nun abschließend, dass die 2019 geschlossenen Abkommen zwischen dem Königreich Marokko und der EU in dieser Form rechtswidrig sind und sich nicht auf die Westsahara / marokkanische Sahara erstrecken dürfen. Konkret heißt es in der vom EuGH am 4. Oktober 2024 veröffentlichten Presseerklärung zur Urteilsverkündung:

„Westsahara: Die Handelsabkommen EU-Marokko von 2019 im Bereich der Fischerei und landwirtschaftlicher Erzeugnisse, denen das Volk der Westsahara nicht zugestimmt hat, wurden unter Verstoß gegen die Grundsätze der Selbstbestimmung und der relativen Wirkung von Verträgen geschlossen.“

Das Gericht ist sogar der Auffassung, dass alleine stattgefundene Konsultationen keine Form der Zustimmung des Volkes der Sahraouis bedeuten würden. Das Gericht sah auch keine Grundlage für das Fortbestehen der Abkommen, da diese keine besonderen Vorteile für das Volk der Sahraouis bieten würden. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass auf landwirtschaftlichen Produkten aus der Westsahara zukünftig nicht mehr „Made in Morocco“, sondern „Westsahara“ vermerkt sein muss.

Für das Fischereiabkommen hat dies keine direkten Auswirkungen, da dies bereits im Juli 2023 ausgelaufen war und bisher nicht neu verhandelt wurde.

Außenministerium reagiert distanziert und fordernd.

Das marokkanische Außenministerium erklärte, dass Marokko in keiner Weise besorgt über das EuGH-Urteil zum Agrar- und Fischereiabkommen sei.

Das Königreich Marokko sehe sich in keiner Weise durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Freitag zu den Agrar- und Fischereiabkommen betroffen. Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, afrikanische Zusammenarbeit und marokkanische Auswanderer betonte, dass das Königreich in keiner Phase des Verfahrens beteiligt gewesen sei.

Das Ministerium erklärte, dass Marokko keine Partei in diesem Fall sei, der einerseits die Europäische Union EU und andererseits die von Algerien unterstützte „Polisario“ betreffe. Marokko habe an keiner der Verfahrensphasen teilgenommen und sehe sich folglich in keiner Weise von der Entscheidung betroffen.

Dennoch enthalte der Inhalt dieser Entscheidung offensichtliche juristische Fehler und verdächtige faktische Irrtümer. Die gleiche Quelle fügte hinzu, dass dies bestenfalls auf eine völlige Unkenntnis der Realitäten des Falles, wenn nicht sogar auf eine offenkundige politische Voreingenommenheit hindeute.

Das Ministerium behauptete weiter, dass der Gerichtshof sich sogar an die Stelle der zuständigen UN-Gremien gesetzt habe und damit deren etablierten Positionen und Ansätzen widerspreche. Außerdem habe der britische High Court in einem ganz ähnlichen Fall mehr Einsicht, Unparteilichkeit und juristische Kompetenz bewiesen.

In der Pressemitteilung hieß es, dass Marokko den Rat, die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auffordere, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten, die Errungenschaften der Partnerschaft zu bewahren und dem Königreich die Rechtssicherheit zu geben, auf die es als Partner der EU in mehreren strategischen Fragen ein Recht habe.

In diesem Zusammenhang bekräftigte Marokko seine ständige Haltung, keinem Abkommen oder Rechtsinstrument beizutreten, das seine territoriale Integrität und nationale Einheit nicht respektiere.

Der lange Konflikt um die Westsahara / marokkanische Sahara

Der Westsaharakonflikt ist ein Erbe der Kolonialzeit sowie ein langjähriger territorialer Streit zwischen Marokko und der Frente Polisario um die Kontrolle über die Westsahara / marokkanische Sahara. Die Westsahara / marokkanische Sahara, eine Region im Nordwesten Afrikas, war bis 1975 eine spanische Kolonie. Nach dem Rückzug Spaniens beanspruchten sowohl Marokko als auch Mauretanien das Gebiet. Mauretanien zog sich jedoch 1979 nach schweren Kämpfen mit der Frente Polisario und Verlusten zurück, und Marokko annektierte daraufhin den südlichen Teil der Westsahara.

Die Frente Polisario proklamierte 1976 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) und kämpft seitdem bewaffnet für die Unabhängigkeit der Westsahara / marokkanische Sahara. Die Polisario wird hauptsächlich von Algerien unterstützt, das den sahrauischen Flüchtlingen Zuflucht gewährt und die Bewegung politisch und militärisch unterstützt.

Marokko hingegen wird von Frankreich und inzwischen von Spanien unterstützt, wobei Frankreich als enger Verbündeter Marokkos gilt. Trotz der engen Verbundenheit zwischen Marokko und Frankreich oder auch Spanien haben diese beiden Länder sich lediglich im Rahmen des UN-Verhandlungsprozesses hinter den marokkanischen Autonomieplan aus dem Jahr 2007 als einzig annehmbare Lösung gestellt. Neben den Golfstaaten und einigen afrikanischen Staaten, die inzwischen auch diplomatische Vertretungen in der Westsahara / marokkanischen Sahara haben, haben die USA und Israel den marokkanischen Hoheitsanspruch anerkannt. Die Europäische Union ist in dieser Frage gespalten, da verschiedene Mitgliedstaaten unterschiedliche Interessen verfolgen.

Marokko geht aus einer Position der Stärke in die kommenden Verhandlungen mit der EU.

Der Konflikt führte zu einem langwierigen Krieg, der 1991 mit einem von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand endete. Trotz zahlreicher Verhandlungsrunden und UN-Resolutionen bleibt der Status der Westsahara bis heute offiziell ungeklärt, und die Region ist weiterhin in einen von Marokko kontrollierten westlichen Teil und eine von der Polisario mehr oder weniger kontrollierte östliche Zone (Pufferzone) geteilt. Das Königreich Marokko investiert hohe Summen in den Aufbau der Infrastruktur und Ansiedlung von Unternehmen, vor allem aus dem Agrarsektor. Für die EU ist vor allem die Atlantikküste vor der Westsahara von großem Interesse, da diese als besonders fischreich gilt und große Teile der europäischen Fischereiflotten dort auf Fang gehen, weil die eigenen Küsten überfischt sind. Von einem gültigen Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko inklusive der Westsahara hängt in Teilen das Fortbestehen der europäischen Fangflotten ab. Das marokkanische Außenministerium machte nun, wie bereits zuvor, deutlich, dass es keine internationalen Abkommen abschließen werde, wenn nicht das ganze Staatsgebiet inklusive der Westsahara / marokkanischen Sahara einbezogen wird. Mehrere Länder wie Russland, China und Japan stehen bereits bereit, ihre Fangflotten anstelle europäischer Schiffe vor der Küste der Westsahara fischen zu lassen, weshalb Marokko hier eine Position der Stärke einnehmen kann. Entsprechend fordert das marokkanische Außenministerium die EU auf, die nötigen Grundlagen für neue Abkommen zu schaffen, das heißt, eine einheitliche und pro-marokkanische Position in der Frage der Westsahara einzunehmen.

Marokko – EU bekräftigt strategische Partnerschaft mit Marokko trotz EuGH-Urteil zum Agrar- u. Fischereiabkommen

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