Algerische Justiz verhängt Gefängnisstrafe gegen den regierungskritischen Autor – Internationale Besorgnis über Meinungsfreiheit in Algerien wächst.
Algier – Die algerische Justiz hat den renommierten Schriftsteller Boualem Sansal zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der 75-jährige mehrfach international ausgezeichnete Autor, bekannt für seine regimekritischen Werke, wurde wegen „Angriffs auf die Staatssicherheit“ schuldig gesprochen. Dabei ging es vor allem um Aussagen in französischen Medien, in denen der Schriftsteller daran erinnerte, dass der Westen Algeriens ursprünglich marokkanisches Hoheitsgebiet gewesen ist und erst unter französischem Einfluss in beiden Nachbarländern dem algerischen Staatsgebiet zugefallen sei. Die Entscheidung des Gerichts stößt international auf Kritik und wirft erneut Fragen über die Lage der Meinungsfreiheit in Algerien auf.
Ein harter Urteilsspruch gegen einen bekannten Intellektuellen
Sansal, der in Frankreich und Algerien gleichermaßen hohes Ansehen genießt, wurde bereits seit Monaten juristisch verfolgt. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich zehn Jahre Haft gefordert, das Gericht verhängte nun eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren ohne Bewährung. Laut übereinstimmenden Medienberichten soll der Prozess hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben.
Boualem Sansal hat sich in seinen Büchern und öffentlichen Äußerungen häufig kritisch zur politischen Situation in Algerien geäußert. Er thematisiert autoritäre Strukturen, politische Korruption und die Unterdrückung von Meinungsfreiheit. Sein bekanntestes Werk, „Der Schwur der Barbaren“, schildert den politischen Zerfall Algeriens nach der Unabhängigkeit.
Währende seiner Schaffenszeit erhielt er auch mehrere Literaturpreise, darunter den Grand Prix de l’Académie Française (2015), für seinen Roman 2084 – „Das Ende der Welt“, der eine dystopische Zukunft unter einem totalitären Regime beschreibt, und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2011) für seinen Beitrag zum „Dialog zwischen Kulturen“ und seine kritische Auseinandersetzung mit politischen Themen.
Die Verurteilung hat sowohl in der Literaturszene als auch unter Menschenrechtsorganisationen große Besorgnis ausgelöst. Beobachter sehen darin eine Verschärfung der Repression gegen kritische Stimmen.
Spannungen zwischen Algerien und Frankreich als Hintergrund
Die Verurteilung Sansals fällt in eine Zeit angespannter diplomatischer Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich. Der Schriftsteller, der oft in Frankreich publiziert, hatte dort in den letzten Jahren zunehmende Unterstützung gefunden.
Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist historisch belastet, insbesondere durch die französische Kolonialzeit (1830–1962) und den blutigen algerischen Unabhängigkeitskrieg. Die algerische Regierung fordert eine umfassende französische Entschuldigung und Reparationen für die Kolonialverbrechen, was Paris bisher ablehnt.
Zusätzlich verschärften sich die diplomatischen Spannungen seit Sommer 2024, als Frankreich offiziell die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkannte – eine Position, die Algerien strikt ablehnt. Algier sah dies als eine klare Unterstützung Marokkos in der langjährigen Westsahara-Frage und reagierte mit einer Abkühlung der diplomatischen Beziehungen.
Auch die Migrationspolitik sorgt für Streit. Frankreich fordert von Algerien eine verstärkte Rücknahme illegaler Migranten, während Algier im Gegenzug Erleichterungen für Visa-Anträge algerischer Staatsbürger verlangt.
Ein repressives Klima für Intellektuelle in Algerien
Das Urteil gegen Sansal reiht sich in eine Reihe von Verfahren gegen Regierungskritiker ein. In den letzten Jahren wurden vermehrt Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle unter dem Vorwurf der „Gefährdung der Staatssicherheit“ verurteilt.
Seit den Protesten der Hirak-Bewegung (2019–2020), die demokratische Reformen forderte, geht die algerische Regierung verstärkt gegen oppositionelle Stimmen vor. Die Verurteilung Sansals wird daher auch als Signal an andere Intellektuelle und Dissidenten verstanden.
Internationale Reaktionen und mögliche Folgen
Menschenrechtsorganisationen und Schriftstellerverbände haben das Urteil scharf kritisiert. Die französische Regierung hat sich bislang zurückhaltend geäußert, doch es wird erwartet, dass der Fall die diplomatischen Spannungen weiter verschärfen könnte.
Herr Boualem Sansals Gesundheitszustand sorgt zusätzlich für Besorgnis: Der Schriftsteller ist laut Berichten schwer krank, was die Haftstrafe für ihn besonders belastend macht.
Die Verurteilung Sansals ist somit nicht nur ein juristischer, sondern auch ein politischer Vorgang, der weit über Algerien hinaus Beachtung findet. Sie wirft erneut die Frage auf, wie es um die Meinungsfreiheit und politische Repression in Algerien bestellt ist – und wie lange kritische Stimmen dort noch Gehör finden.
Algerien – Zehn Jahre Haft für den Schriftsteller Boualem Sansal gefordert