Im Zuge „regulatorischer Reformen“ und offizieller Statements deutet sich ein Paradigmenwechsel im algerischen Mediensektor an – mit möglichen Folgen für die Pressefreiheit.
Algier – In den vergangenen Tagen haben mehrere offizielle Verlautbarungen der algerischen Regierung, vertreten u.a. durch den Kommunikationsminister Mohamed Meziane, über die staatliche Nachrichtenagentur APS Einblicke in eine zunehmend aktiv gelenkte Medienstrategie gegeben. Aufeinanderfolgende Erklärungen des Kommunikationsministeriums sowie von führenden Vertretern der Medienausbildung lassen auf eine grundlegende Neuausrichtung der journalistischen Praxis in Algerien schließen. Dabei rückt die Rolle des Journalismus als Instrument zur Verteidigung staatlicher Interessen verstärkt in den Fokus – ein Kurs, der kritische Fragen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Presse aufwirft.
Medienpolitik auf Regierungslinie erwünscht.
Am 14. April 2025 betonte Kommunikationsminister Mohamed Laagab die Notwendigkeit, institutionelle Kommunikation zu stärken – insbesondere als Reaktion auf Inhalte, die mutmaßlich dem „Image Algeriens schaden“ könnten. Ziel sei es, „verlässliche Informationen aus offiziellen Quellen zugänglich zu machen“, um so der Verbreitung schädlicher oder verfälschter Inhalte entgegenzuwirken. Dies solle durch ein Netzwerk professioneller Pressestellen innerhalb öffentlicher Institutionen erreicht werden.
Nur einen Tag später kündigte der Minister zudem den Abschluss der regulatorischen Texte an, die den journalistischen Berufsstand künftig umfassend regeln sollen. Diese Texte seien „eine wesentliche Voraussetzung“ für die Anwendung des neuen Pressegesetzes, das 2023 verabschiedet wurde. Es gehe dabei um die „Förderung eines verantwortungsbewussten Journalismus“ im Einklang mit nationalen Werten.
„Engagierte Journalisten“ als mögliches Zielbild
Parallel dazu fand die erste regionale Konferenz algerischer Journalisten und Medienakteure statt. In verschiedenen Workshops diskutierten die Teilnehmenden über die Realität des Berufsfeldes sowie Herausforderungen der heutigen journalistischen Praxis. Der Tenor: Die Medienlandschaft müsse sich stärker auf „professionelle Standards“ und den Dienst an der Gesellschaft konzentrieren – wobei Letzteres eng mit dem nationalen Interesse verknüpft zu sein scheint.
Besonders deutlich wurde dies durch die Äußerungen von Meriem Meziane, Direktorin des Instituts für Information und Kommunikation (INSC). Sie unterstrich die Bedeutung, Journalisten auszubilden, die „engagiert sind in der Verteidigung der Interessen des Landes und der Gesellschaft“. Dieser Anspruch wird als Kernkompetenz in der journalistischen Ausbildung dargestellt und soll künftig stärker institutionalisiert werden.
Internationale Kritik und Lageeinschätzung
Die Einschätzung internationaler Beobachter lässt jedoch Zweifel an der tatsächlichen Intention dieser Maßnahmen aufkommen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) stuft die Lage der Pressefreiheit in Algerien als „problematisch und zunehmend restriktiv“ ein. Im aktuellen Pressefreiheitsranking 2024 rangiert das Land auf Platz 139 von 180, was eine Verschlechterung von 3 Plätzen gegenüber dem vorherigen Rankingplatz bedeutete. RSF dokumentiert wiederholt Fälle von Zensur, Schließung unabhängiger Medien, strafrechtlicher Verfolgung kritischer Journalist:innen sowie juristisch vage definierter Pressegesetze, die als Grundlage für Repressionen dienen.
Insbesondere die Kriminalisierung unbequemer Stimmen sowie die zunehmende Kontrolle staatlicher Stellen über redaktionelle Inhalte werden als zentrale Bedrohungen der Pressefreiheit hervorgehoben. Die Organisation stellt klar, dass die algerischen Behörden Journalismus nicht als unabhängige Instanz, sondern als potenzielle Gefährdung betrachten.
Ein Balanceakt zwischen Verantwortung und Unabhängigkeit
Die genannten Entwicklungen werfen grundlegende Fragen zur Pressefreiheit in Algerien auf. Der Wunsch nach professionellem, faktenbasiertem Journalismus ist legitim und notwendig – insbesondere angesichts der Verbreitung von Desinformation. Doch wenn journalistisches Handeln primär an der Loyalität zum Staat und der Verteidigung nationaler Interessen gemessen wird, droht die Gefahr, dass kritische, unabhängige Stimmen marginalisiert werden.
Freie Medien nehmen in jeder demokratisch verfassten Gesellschaft eine zentrale Rolle ein. Sie dienen nicht nur der Information, sondern auch der Kontrolle politischer Macht, der Aufdeckung von Missständen und der Förderung pluralistischer Debatten. Wenn diese Funktion durch ideologische Vorgaben oder staatlich gesteuerte Ausbildung untergraben wird, kann sich die Presse nur noch eingeschränkt als vierte Gewalt entfalten.
Es bleibt offen, ob es der algerischen Regierung tatsächlich um die Stärkung eines qualitativ hochwertigen, ethischen Journalismus geht – oder vielmehr um die Errichtung eines Systems, in dem Journalisten zu Verteidigern einer offiziellen Linie werden. Der Unterschied zwischen einem verantwortungsbewussten und einem regierungsnahen Journalismus mag schmal sein – ist aber entscheidend für die demokratische Entwicklung eines Landes.