Nach diplomatischen Spannungen bemühen sich beide Länder um Wiederaufnahme ihrer Partnerschaft – Fokus auf Sicherheit, Justiz, Wirtschaft und Migration
Algier – Am Sonntag (6. April 2025) empfing der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune den französischen Außenminister Jean-Noël Barrot in der algerischen Hauptstadt. Begleitet von einer Delegation traf Außenminister Barrot zu einem offiziellen Besuch ein, bei dem zentrale Themen der bilateralen Beziehungen angesprochen wurden. Ziel des Besuchs war es, nach Monaten diplomatischer Spannungen den politischen Dialog wieder aufzunehmen und bestehende Kooperationsmechanismen schrittweise zu reaktivieren. Die algerische Nachrichtenagentur APS berichtete über den Empfang und die Gespräche im Beisein des algerischen Außenministers Ahmed Attaf und weiterer hochrangiger Regierungsvertreter.
Vielfältige Ursachen der diplomatischen Krise
Die Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich waren in den vergangenen Monaten durch eine Reihe von Differenzen erheblich belastet. Spannungen ergaben sich unter anderem im Zusammenhang mit der Migrationspolitik, Visa-Vergaben und juristischen Verfahren mit Bezug auf die Rückführung von Migranten. Aber auch die im Sommer 2024 erfolgte defacto Anerkennung des marokkanischen Hoheitsanspruches auf die Westsahara und eine gescheiterte Aufarbeitung der Kolonialzeit haben die Beziehungen schwer belastet. Eine besonders sensible Komponente war die Verhaftung des algerisch-französischen Schriftstellers Boualem Sansal, der in Algerien unter dem Vorwurf regimekritischer Äußerungen festgenommen und später zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Der Fall löste nicht nur internationale Kritik aus, sondern führte auch in Frankreich zu politischen Reaktionen und verstärkte die diplomatische Eiszeit zwischen beiden Ländern.
Vor diesem Hintergrund bat Außenminister Barrot während seines Besuchs in Algier den Präsidenten Tebboune laut APS um eine „humane Geste“ im Fall Sansal. Er appellierte an die algerische Regierung, im Sinne der bilateralen Beziehungen ein Zeichen der Versöhnung zu setzen.
Frankreich signalisiert Dialogbereitschaft
Außenminister Barrot erklärte nach dem Treffen, er sei nach Algier gekommen, um eine Botschaft von Präsident Emmanuel Macron zu überbringen: Frankreich strebe danach eine „ruhige, friedliche und gleichberechtigte Partnerschaft“ mit Algerien an. Er betonte, dass die Spannungen der letzten Monate keinem der beiden Länder gedient hätten. Trotz bestehender Differenzen plädierte er für einen offenen Dialog, gestützt auf die „historischen, kulturellen und menschlichen Verbindungen“ zwischen beiden Gesellschaften – insbesondere mit Blick auf die zahlreichen französisch-algerischen Familien, deren Leben sich auf beide Seiten des Mittelmeers verteilen.
In der Pressekonferenz nach seinem Besuch verwies Außenminister Barrot auf das Telefongespräch zwischen Macron und Tebboune vom 31. März, das den Weg für seine Reise geebnet habe. Gemeinsam wolle man nun zur Umsetzung der Prinzipien zurückkehren, die bereits in der „Erklärung von Algier“ im Jahr 2022 festgehalten worden waren.
Fortschritte in verschiedenen Kooperationsfeldern
Jean-Noël Barrot kündigte an, dass Frankreich und Algerien „sämtliche Kooperationsmechanismen“ in allen Sektoren wieder in Gang setzen wollen – mit einem Fokus auf Sicherheit, Justiz, Migration und Wirtschaft. Die Zusammenarbeit werde dabei „ernsthaft, diskret und effizient“ geführt. Die Wiederaufnahme des Sicherheitsdialogs beinhaltet unter anderem eine neue Runde direkter Kontakte zwischen den Geheimdiensten beider Länder sowie ein geplantes Treffen auf Ebene der Sicherheitschefs. Auch ein strategischer Dialog über die Lage in der Sahelzone sei vorgesehen, wie Außenminister Barrot erklärte.
Im Justizbereich bestätigte er einen bevorstehenden Besuch des französischen Justizministers in Algerien. Ziel sei die Wiederaufnahme der juristischen Kooperation, insbesondere bei Anfragen zu unrechtmäßig erworbenen Vermögenswerten. Zudem solle der Austausch zwischen den nationalen Strafverfolgungsbehörden intensiviert werden.
Beim Thema Migration verständigten sich beide Seiten auf eine Wiederbelebung der konsularischen Zusammenarbeit. Dabei gehe es insbesondere um die Rückübernahme algerischer Staatsangehöriger sowie um Visa-Regelungen. Präsident Tebboune kündigte laut APS ein bevorstehendes Treffen zwischen algerischen Konsuln in Frankreich und französischen Präfekten an.
Wirtschaftlicher Austausch soll neuen Impuls erhalten
Ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche lag auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Außenminister Barrot betonte, dass es in den letzten Monaten zu spürbaren Herausforderungen im bilateralen Handel gekommen sei – insbesondere in den Bereichen Agrarwirtschaft, Automobilindustrie und Seeverkehr. Präsident Tebboune habe jedoch seine Bereitschaft signalisiert, dem wirtschaftlichen Austausch neuen Schwung zu verleihen. Ein Treffen zwischen dem französischen Unternehmerverband MEDEF und der algerischen Wirtschaftsorganisation CREA ist für den 19. Mai angesetzt. Zudem soll vor dem Sommer eine Sitzung des algerisch-französischen Wirtschaftsausschusses stattfinden.
Auch in Fragen der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit gab es Bewegung. Außenminister Barrot erklärte, dass die Arbeit der gemischten Historikerkommission wieder aufgenommen werde. Der französische Historiker Benjamin Stora sei eingeladen worden, um die Gespräche über die Rückgabe kultureller Güter fortzusetzen.