70 Jahre Algerienkrieg – Ein schmerzhafter Weg zur Unabhängigkeit und das Erbe des Widerstands
Algier – Am heutigen Tag erinnert man sich überall in Algerien an den Kampf um Unabhängigkeit. Vor genau 70 Jahren, am 1. November 1954, begann in Algerien der bewaffnete Unabhängigkeitskampf gegen die französische Kolonialherrschaft.
Der als Algerienkrieg bekannte Konflikt war einer der blutigsten Entkolonialisierungskriege des 20. Jahrhunderts. Mit einer Serie von Anschlägen durch die Nationale Befreiungsfront (FLN) entzündete sich der Widerstand und richtete sich gegen die französische Militärpräsenz und gegen die politische, wirtschaftliche und kulturelle Unterdrückung der algerischen Bevölkerung.
Der Krieg dauerte bis 1962 und kostete mindestens 400.000 Algerier das Leben, wobei Schätzungen je nach Quelle auch bis zu einer Million Tote benennen. Auf französischer Seite starben etwa 25.000 Soldaten, während auch Tausende europäischer Zivilisten in Algerien getötet wurden. Zu den erschreckendsten Kapiteln dieses Konflikts zählen die zahlreichen Massaker, die brutale Folter von FLN-Angehörigen und Zivilisten sowie die massenhaften Vertreibungen. Der Krieg endete am 18. März 1962 mit den Verträgen von Évian, die Algerien am 5. Juli 1962 in die Unabhängigkeit führten. Am heutigen Feiertag fanden zahlreiche Veranstaltungen im ganzen Land statt. Nahe der Hauptstadt Algier wurde eine sehr große Militärparade und Waffendemonstration abgehalten, zu der auch zahlreiche ausländische Gäste eingeladen waren, darunter vor allem der neue Verbündete, der tunesische Präsident Kaies Saie.
Einer der wichtigsten Unterstützer während des Unabhängigkeitskrieg, das mag man sich heute kaum noch vorstellen können, war das Nachbarland Marokko, das heute für Algerien das Böse und der Feind ist. Zahlreiche Politiker der algerischen Geschichte fanden nicht nur Zuflucht im Osten Marokkos, sondern sind teilweise sogar dort geboren.
Der Algerienkrieg bis heute mit großem Einfluss auf die Gesellschaft
Die Erinnerung an den Algerienkrieg prägt das Land bis heute tief. In Algerien gilt der Befreiungskrieg als identitätsstiftendes Ereignis und ist ein fester Bestandteil der kollektiven Erinnerungskultur. Überall im Land gibt es Denkmäler und Museen, die den „Märtyrern“ gewidmet sind, wie die gefallenen Freiheitskämpfer genannt werden. Der Nationalfeiertag, der an den Beginn des Aufstands erinnert, wird alljährlich mit militärischen Paraden und Zeremonien begangen. Doch die schmerzhafte Vergangenheit bleibt auch ein politisch sensibler Punkt: In der algerischen Gesellschaft bestehen Spannungen darüber, wie der Krieg und seine Opfer öffentlich anerkannt werden sollen.
Bis heute ist das Vermächtnis des Algerienkriegs ein Symbol für den Widerstand gegen Kolonialismus und Unterdrückung. Frankreich und Algerien kämpfen weiterhin mit der Verarbeitung dieser Vergangenheit, was gelegentlich Spannungen zwischen beiden Ländern auslöst. Die Erinnerung an den Krieg wirkt über Generationen hinweg und bleibt ein wesentlicher Bestandteil der algerischen Identität und Geschichte.