StartAlgerienAlgerien – Außenministerium soll Botschafter von EU-Staaten nach EuGH-Urteil einbestellt haben.

Algerien – Außenministerium soll Botschafter von EU-Staaten nach EuGH-Urteil einbestellt haben.

EU-Mitgliedsstaaten stellen sich hinter Marokko

Botschafter von EU-Mitgliedstaaten, die sich nach dem EuGH-Urteil zum Marokko-EU-Agrar- und Fischereiabkommen solidarisch mit dem Königreich geäußert haben, seien einbestellt worden. Das deutsche Auswärtige Amt bestreitet eine solche Einbestellung.

Algier – Weiterhin scheint das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Oktober 2024 zum Marokko-EU-Agrar- und Fischereiabkommen die politischen Gespräche in den Regierungsfluren der algerischen Hauptstadt zu beschäftigen. Der EuGH hatte am 4. Oktober 2024 seine Entscheidung bekanntgegeben, dass das teilweise bereits ausgelaufene Agrar- und Fischereiabkommen zwischen Marokko und der Europäischen Union (EU) insoweit rechtswidrig sei, da es die Region Westsahara einbezogen hatte, ohne dass das Volk der Sahraouis ihr Einverständnis gegeben hätte.

Aus Sicht Algeriens stellt die Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts einen bedeutenden Einschnitt in den jahrzehntelangen Konflikt dar und bestätigt die Westsahara / marokkanische Sahara als eigenständiges Gebiet, das nicht zu Marokko gehört. Zudem werde die Polisario-Front als legitimer Vertreter des sahrauischen Volkes anerkannt. Diese Entscheidung, die Marokkos langjährige Bemühungen zur Festigung seiner Ansprüche auf die Westsahara infrage stellt, hätte das Königreich aus algerischer Sicht in Bedrängnis gebracht. Um dies zu unterstreichen, gab es zahlreichen algerischen Medienberichten, die diese Sichtweise aufgegriffen haben.

Zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten stellen sich hinter Marokko

Entgegen dieser Auffassung steht die Bewertung Marokkos. Das marokkanische Außenministerium stellte unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils klar, dass das Königreich keine Partei in diesem Rechtstreit gewesen sei und man sich in Rabat von dem Urteil nicht betroffen sehe. Zugleich machte das Außenministerium unter Nasser Bourita deutlich, dass das Königreich nur dann bereit sei, Abkommen abzuschließen, wenn die Region der Westsahara bzw. „marokkanischen Sahara“ einbezogen werde. Die EU sei nun gefordert, ihre Situation und Haltung zu klären. Ebenfalls zeitnah meldeten sich zahlreiche EU-Länder per offizieller Erklärung zu Wort und betonten zwar den Respekt vor dem EuGH-Urteil, aber zugleich den Willen, weiterhin mit Marokko zusammenzuarbeiten und an entsprechenden Optionen zu arbeiten. Auch die EU-Kommission machte klar, dass man Marokko als wichtigen Partner betrachte und an Lösungen für die Weiterführung der engen Kooperation arbeiten werde.

Algerisches Außenministerium soll Botschafter von EU-Mitgliedstaaten einbestellt haben.

Genau diese Stellungnahmen, die Rabat als Unterstützungsbekundung betrachtet, schwächen die Einschätzung Algiers und sollen im algerischen Außenministerium offenbar Klärungsbedarf ausgelöst haben. Wie die algerische Nachrichtenagentur APS berichtet, hätte man sich im algerischen Außenministerium mit mehreren Diplomaten europäischer Länder getroffen, wo sie aufgefordert worden seien, zu den offiziellen Erklärungen ihrer Länder Stellung zu nehmen. Die algerische Seite habe sich vergewissern wollen, dass diese Länder weiterhin die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs respektieren.

Laut gut informierten Quellen aus dem algerischen Außenministerium, so APS weiter, betonten die meisten Botschafter, dass ihre Erklärungen keineswegs bedeuten, dass ihre Regierungen das Urteil des EuGH ablehnen oder in Zukunft ignorieren würden. Im Gegenteil, sie versicherten, dass ihre Länder den Rechtsstaat achten und die Beschlüsse des Gerichtshofs respektieren. Einige hätten sich sogar überrascht über die Erklärungen ihrer Länder gezeigt. Welche Botschafter und diplomatischen Vertreter von EU-Mitgliedstaaten einbestellt bzw. eingeladen wurden oder an Gesprächen im algerischen Außenministerium teilgenommen hätten, nannte die algerische Nachrichtenagentur APS jedoch nicht.

Deutschland habe kürzlich an keinem Gespräch zur Westsahara im algerischen Außenministerium teilgenommen.

Wenn es tatsächlich ein solches Einbestellen von Botschaftern oder mehrere Gespräche mit diplomatischen Vertretern von EU-Mitgliedstaaten gegeben haben sollte, dann wäre dies ein schwerwiegender diplomatischer Akt Algeriens, denn man bestellt Botschafterinnen oder Botschafter nur bei Problemen oder Krisen ein. Dies stellt in der Sprache der Diplomatie grundsätzlich einen unfreundlichen Akt dar.

Unter den Ländern, die sich nach dem Urteil des EuGH für eine Fortführung der Kooperation mit Marokko per öffentlichem Statement ausgesprochen haben, ist auch Deutschland. Grund genug, das deutsche Auswärtige Amt anzufragen. Die MAGHREB-POST hat am 14. Oktober 2024 beim deutschen Außenministerium nachgefragt, ob der deutsche Botschafter in Algier zu einem Gespräch zur Westsahara im Kontext des EuGH-Urteils einbestellt wurde. Das Auswärtige Amt antwortete der MAGHREB-POST schnell und unmissverständlich.

Zitat: „Unsere beiden Länder stehen in regelmäßigem Austausch, auch zur jeweiligen Rechtsauffassung hinsichtlich des Status der Westsahara. Eine Einbestellung des deutschen Botschafters in Algerien durch das algerische Außenministerium hat nicht stattgefunden.“

Die MAGHREB-POST versicherte sich in einer zweiten Frage auch nochmals der Position Deutschlands zur Westsahara-Frage. In der Antwort des Auswärtigen Amts vom 14. Oktober heißt es dazu:

Zitat: „An unserer Position hat sich nichts geändert: Nach der Rechtsauffassung der Bundesregierung, wie auch der Europäischen Union und der Vereinten Nationen, ist der Status der Westsahara ungeklärt. Diesen abschließend zu definieren, ist Gegenstand eines Verhandlungsprozesses unter Ägide der Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen führen die Westsahara weiterhin auf der Liste der Gebiete ohne Selbstregierung. Die Bundesregierung unterstützt alle Bemühungen der Vereinten Nationen, auf der Basis der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats zu einer gerechten, praktikablen, dauerhaften und für alle Seiten akzeptablen Lösung des Konflikts zu gelangen. Wie auch der UN-Sicherheitsrat betrachten wir den von Marokko vorgelegten Autonomieplan als ernsthafte und glaubwürdige Bemühung Marokkos und als eine gute Grundlage, um zu einer Einigung zu kommen. Das sagen wir auch beiden Konfliktparteien. Es liegt aber auf der Hand, dass eine Einigung auf eine Autonomielösung nur im Rahmen des UN-Prozesses erzielt werden kann. Deshalb erwarten wir von allen relevanten Akteuren eine konstruktive Mitwirkung bei der Suche nach einer realistischen, nachhaltigen und für beide Seiten akzeptablen Lösung im Rahmen des UN-Prozesses.“

Beratungen vor allem auf Ebene der UNO

In den kommenden Wochen wird die Westsahara-Frage auf verschiedenen internationalen Ebenen diskutiert werden. Der UN-Sicherheitsrat wird Mitte Oktober über die politischen Entwicklungen in der Region beraten. Ob dies der Grund ist, dass Algerien von Gesprächen mit EU-Diplomaten spricht, die tatsächlich oder eben nicht stattgefunden haben, ist unklar. Hier kann das algerische Außenministerium sehr einfach für Klärung sorgen, indem es die Liste der einbestellten Botschafter bekanntgibt.

Zugleich wird die EU klären müssen, wie sie ein neues Agrar- und Fischereiabkommen mit Marokko hinbekommen möchte. Rechtsmittel kann die EU-Kommission jedenfalls nicht mehr einlegen, wie es 2019 geschehen ist.

Beide Seiten haben ein großes Interesse, wirtschaftlich wie politisch, dass enge Handelsbeziehungen bestehen. Allerdings hat Marokko auch Alternativen, sein Obst und Gemüse außerhalb der EU zu vermarkten, auch wenn es dauern würde, das Handelsvolumen mit der EU zu erreichen. So stehen Großbritannien, China, die USA und auch Russland als Absatzmärkte bereit. Auch die Golf-Monarchien wären potenzielle Absatzmärkte. Neben Russland und China ist vor allem Japan daran interessiert, vor den fischreichen Gewässern der Westsahara bzw. „marokkanischen Sahara“ auf Fischfang zu gehen, deren Fangquoten erhöht werden könnten, wenn europäische Fangflotten nicht mehr auf Fahrt gehen dürften. Erst vor kurzem haben Marokko und Russland ihr Fischereiabkommen verlängert.

Marokko – EuGH-Urteil zum EU-Marokko-Abkommen – auch Deutschland reagiert nun.

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