Finanzministerin stellt Haushaltsgesetz PLF 2023 vor. Steuerreform und Aufbau der Sozialsysteme stehen im Mittelpunkt.
Rabat – Nach dem der Ministerrat, unter Führung von König Mohammed VI., am vergangenen Dienstag und der Regierungsrat, unter Leitung von Premierminister Aziz Akhannouch, am 19. Oktober 2022 dem Haushaltsgesetz PLF 2023 zugestimmt haben, stellte Finanzministerin Nadia Fettah Alaoui das sog. Finanzgesetz PLF 2023 für das nächste Jahr vor den Abgeordneten der beiden Kammern des marokkanischen Parlaments vor. Mit der Vorstellung am heutigen 20. Oktober 2022 hält die Regierung die von der Verfassung vorgesehene Frist knapp ein.
Der Haushaltsentwurf wurde mit Spannung erwartet, soll er doch im Kontext schwieriger nationaler und internationaler Rahmenbedingung für eine wirtschaftliche Erholung sorgen und angesichts der Inflation die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger schützen.
Die Wirtschaft soll durch die Anregung von privaten Investitionen sowie Staatsausgaben für den weiteren Ausbau der Infrastruktur angeregt werden. Zugleich soll eine Steuerreform die Wirtschaft neu ordnen sowie die Staatseinahmen sichern helfen. Die Kaufkraft der Bürger soll durch soziale Reformen, der Schaffung von Arbeitsplätzen aber auch durch Subventionen und dem Ausbau des Sozialstaates gesichert werden. Dies alles trotz steigender Staatsschulden und einem relativ hohen Haushaltsdefizit.
Im Ministerrat stellte die Finanz- und Wirtschaftsministerin vor König Mohammed VI. die Annahmen, unter denen das Finanzgesetz erarbeitet wurde, vor. Danach geht die Regierung von einem Wirtschaftswachstum von 4% des BIP, einer Inflation von ca. 2% sowie einem Haushaltsdefizit von 4,5% des BIP aus.
Der marokkanische Staatshaushalt, aufsummiert über alle Ministerien, steigt auf 377.166.880.000 marokkanische Dirham MAD. Dabei binden die Posten Bildung und Finanzministerium jeweils mehr als 72 Mrd. MAD. Für Verteidigung wird offiziell mehr als 52 Mrd. MAD ausgegeben und für das Innenministerium rund 40 Mrd. MAD. Die Kosten für die Monarchie, das königliche Kabinett sowie alle sonstigen Ausgaben für Ausstattung und Personal binden 2,76 Mrd. MAD. Das Außenministerium bekommt ein Budget von 4,3 Mrd. MAD, wobei der größte Anteil durch Personalausgaben gebunden ist. Das Budget für das marokkanische Gesundheitsministerium wird im kommenden Jahr bei über 28 Mrd. MAD liegen, was ca. 8 Mrd. MAD mehr als im laufenden Haushaltsjahr 2022 ist.
Staat schafft über 28.000 neue Stellen.
Wie jedes Jahr haben die wichtigsten Ministerien ihren Personalbedarf bzw. die zu schaffenden offenen Stellen angegeben. Insgesamt sollen im Staatsdienst 28.212 neue Stellen geschaffen werden.
Die Meisten Stellen werden in den folgenden Ministerien geschaffen:
- Ministerium des Inneren: 7.544
- Verwaltung für nationale Verteidigung: 7.000
- Ministerium für Gesundheit und Soziales: 5.500
- Ministerium für Hochschulbildung, Forschung und Innovation wissenschaftliche Forschung und Innovation: 2.349
Steuerreform soll Mittelschicht nutzen.
Es werden mehrere Neuerungen im Rahmen der Steuerreform erwartet, um die Wiederbelebung der nationalen Wirtschaft zu unterstützen und die Steuerlast für die Mittelschicht in einem instabilen Inflationsumfeld zu senken. Die Bestimmungen der Steuerreform sollen bereits im nächsten Jahr umgesetzt werden, wie die Wirtschafts- und Finanzministerin Nadia Fettah Alaoui in der Sitzung des Ministerrats ankündigt.
„Angesichts der Rolle des Steuersystems bei der Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und der Erreichung der erwarteten Ziele im Bereich der wirtschaftlichen Erholung werden die Bestimmungen des Rahmengesetzes über die Steuerreform umgesetzt, um den Wirtschaftsakteuren durch eine umfassende Reform der Körperschaftsteuer und des Banken- und Versicherungssektors mehr Klarheit bieten zu können und gleichzeitig den Steuerdruck auf die Arbeitnehmer und Rentner der Mittelschicht zu verringern“, heißt es in einer Erklärung des Sprechers des Königspalastes. Gerade die Körperschaftssteuer (IS), die Gewerbetreibende und Unternehmen zu entrichten haben, soll einen einheitlichen Steuersatz bekommen. Diese Maßnahme, die der für den Haushalt zuständige Minister Fouzi Lekjaa bei seinem letzten Auftritt vor dem Wirtschafts- und Finanzausschuss des Abgeordnetenhauses erwähnte, soll die Steuereinnahmen des Staates deutlich erhöhen. Marokkanische Wirtschaftswissenschaftler empfehlen dabei eine Schrittweise Umkehr von einer Steuertabelle mit unterschiedlichen Steuersätzen zu einem einheitlichen Wert, so dass sich die Teilnehmer darauf einstellen können, den je nach einheitlichem Steuersatz wird es Unternehmen geben, die weniger und andere die mehr zahlen müssen. Derzeit gibt es in Marokko drei unterschiedliche Steuersätze.
Finanzministerium will am Solidaritätsaufschlag festhalten.
Steuerzahler in Marokko leisten neben den Steuerabgaben auf ihr Einkommen eine zusätzliche Abgabe im Sinne eines Solidaritätsabgabe. Diese Solidaritätsabgabe dienst in erste Linie dazu, den Aufbau der allgemeinen Sozialversicherung zu finanzieren. Nach jetzigem Stand will das Finanzministerium an dieser Sonderabgabe auch im Jahr 2023 festhalten.
Eine Verlängerung, die den Arbeitgebern nicht gefällt. Die Confédération générale des entreprises du Maroc (CGEM marokkanischer Unternehmerverband) forderte in ihren 15 Vorschlägen für den PLF 2023, die gestern vorgestellt wurden, die Abschaffung der Solidaritätsabgabe, die nach Ansicht der Unternehmer zu einer „permanenten“ Besteuerung geworden ist, die der Körperschaftsteuer gleichgestellt ist.
Mögliche Absenkung der Einkommenssteuersätze für Arbeitnehmer und Rentner.
Noch nicht ganz final scheint die Absicht einer Absenkung der Einkommensteuer (IR) ausgearbeitet zu sein. Ziel ist es, gerade Arbeitnehmer und Rentner durch einen niedrigeren Einstiegssteuersatz zu entlasten. Wie marokkanische Medien berichten, haben sich das Finanzministerium und die Gewerkschaften noch nicht auf den neuen Mindeststeuersatz verständigen können. Im aktuellen Entwurf werden lediglich die Absetzungspauschalen und die Freibeträge für Arbeitnehmer und Rentner erhöht, so dass zumindest ein kleiner Effekt für die privaten Haushalte entstehen könnte.
Keine Steuer auf Übergewinne
Anders als im Vorfeld diskutiert, wird es wohl keine Sonderbesteuerung von sog. Übergewinnen geben. Wie in vielen Ländern, wie den USA oder den Mitgliedsländern der EU oder Großbritannien, wurde in den vergangenen Wochen auch in Marokko über die Abschöpfung von Gewinnen bei Unternehmen diskutiert, die durch die enormen Preissteigerungen auf den Weltmärkten entstanden sind. Nach jetzigem Stand konnte sich die Regierung auf einen solchen Vorschlag nicht einigen. Der Wettbewerbsrat empfahl in seinem letzten Bericht über den marokkanischen Kraftstoffmarkt die Einführung einer Sondersteuer auf die Übergewinne von Unternehmen, die Diesel und Benzin importieren, lagern und vertreiben und hohe Gewinnspannen erzielen.
Senkung der Mehrwertsteuer auf medizinische Produkte und Medikamente
Die Regierung hatte bereits bestätigt, dass es eine Senkung der Steuern auf importierte Medikamente und Gesundheitsprodukte (medizinische Produkte) geben wird, um deren Verkaufspreis für die Endverbraucher zu senken.