Vermittlungsversuch von König Abdullah II. für die Wiedernutzung der Maghreb-Europa-Pipeline GME durch Algerien
Algier / Madrid / Amman – Es könnte Bewegung in die Krise zwischen Algerien und Spanien kommen und ausgerechnet der enge Freund Marokkos versucht derzeit eine Vermittlung zur Beilegung der diplomatischen und wirtschaftlichen Krise im Spannungsdreieck Algier – Madrid – Rabat anzustoßen. Dabei soll ein altes gemeinsames Projekt wiederbelebt werden, die Maghreb-Europa-Pipeline (GME)
Die politische Krise zwischen Spanien und Algerien sei, Dank der Vermittlung von König Abdullah II. von Jordanien, einer Lösung nähergekommen. Nach spanischen Medienberichten habe der jordanische König in Algier eine grundsätzliche Einigung über die schnellstmögliche Wiedereröffnung oder Wiedernutzung der seit dem 31. Oktober 2021 geschlossenen Maghreb-Europa-Gaspipeline (GME) erzielen können.
Diese Wiedernutzung solle dazu beitragen, die politischen Spannungen zwischen Spanien und Algerien abzubauen, die Dutzenden von spanischen Unternehmen, die seit Juni keinen Zugang mehr zum algerischen Markt haben, so großen Schaden zugefügt haben, so unter anderem die spanische Zeitung La Vanguardia.
Krise durch Spannungen mit Marokko und die Unterstützung Spaniens für den marokkanischen Autonomieplan ausgelöst.
Nach rund einem Jahr der politischen Krise zwischen Marokko und Spanien verkündete der spanische Regierungschef Pedro Sanchéz eine Neupositionierung in der Westsaharapolitik / marokkanische Sahara. Von nun an würde Madrid als einzige realistische Lösung für den Konflikt den marokkanischen Autonomieplan betrachten.
Ausgerechnet die ehemalige Kolonialmacht in der Westsahara, die durch ihren chaotischen Rückzug zum Konflikt beigetragen hat und politisch eine neutrale Haltung, aber praktisch Sympathie für die Sahraouis pflegte und vom marokkanischen Rivalen Algerien einen Großteil der Gasimporte bezog, schlug sich auf die Seite Rabats und erkannte indirekt die Hoheitsansprüche des Königreiches über die Westsahara / marokkanische Sahara an. Eine Haltung des sozialistischen Regierungschefs, die von den meisten politischen Parteien, auch innerhalb der Regierungskoalition, bis heute kritisiert wird.
Algerien reagierte, als wichtigster Unterstütze der Frente Polisario, die bewaffnet für eine unabhängige Westsahara / marokkanische Sahara gegen Marokko kämpft, mit der Aussetzung des Freundschaftsvertrags mit Spanien, mit Markteintrittsbeschränkungen für spanische Unternehmen und der Reduzierung von Gaslieferungen an das iberische Königreich. Bereits im Oktober 2021 hatte Algerien den Transitvertrag für algerisches Gas über die GME nicht verlängert, nach dem das Gesamteigentum an der Pipeline vertragsbedingt auf Marokko überging und Rabat neu über die Konditionen verhandeln wollte.
Algerien fordert erneute politische Neupositionierung von Spanien.
Algerien fordert nun von Spanien, vor dem Hintergrund der komplexen Gesamtlage, nichts geringeres, als eine erneute Änderung der politischen Position in der Westsaharafrage, dieses Mal zu Lasten Marokkos.
Algerien vertritt weiterhin offiziell den Standpunkt, dass die Handelsbeziehungen mit Spanien so lange eingeschränkt oder eingefroren bleiben, wie die Regierung von Pedro Sánchez ihre Entscheidung zugunsten einer marokkanischen Autonomie in der Sahara nicht rückgängig macht.
Der spanische Premierminister beharrt auf einer „für beide Seiten akzeptablen politischen Lösung“. Diese Nuancierung sei für Algerien jedoch nicht ausreichend.
„Das reicht nicht aus, um das Vertrauen wiederherzustellen“, zitiert die Zeitung La Vanguardia eine algerische diplomatische Quelle, die mutmaßlich nicht genannt werden möchte, weil sie nicht befugt sei, mit der Presse zu sprechen. Die Quelle habe jedoch ergänzt, dass „wir die Vermittlung von König Abdullah zur Wiedereröffnung der GME unterstützen. Ich denke, dass dies sehr bald geschehen kann, und es wird ein Schritt zur Normalisierung der Handelsbeziehungen mit Spanien sein“.
Jordanischer König mit Rückendeckung aus Kairo unterwegs. Spannungen im Maghreb sollen abgebaut werden.
Der jordanische König Abdullah II. besuchte Algier erst Anfang Dezember, um mehrere Gespräche mit hochrangigen Regierungsvertretern, darunter Präsident Abdelmajid Tebboune zuführen. Zuvor hatte König Abdullah II. einen Zwischenstopp in der ägyptischen Hauptstadt Kairo eingelegt, wo er sich der Unterstützung von Marschall Al Sisi versicherte.
Finales Ziel der Bemühungen ist, die Vermittlung zwischen Algerien und Marokko voranzutreiben und die Spannungen im Maghreb abzubauen.
Die Beziehungen zwischen Marokko und Algerien sind so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Westsahara / marokkanischen Sahara ist nicht der einzige Knackpunkt. Marokkos Beziehungen zu Israel und den Vereinigten Staaten stehen Algeriens strategische Allianz mit Russland gegenüber. Der Rüstungswettlauf beschleunigt sich. So hat Algerien seinen Verteidigungshaushalt mehr als verdoppelt, während Marokko mehr denn je für die Modernisierung seiner Armee ausgibt.
Algerien betont eine wahrgenommene gestiegene Bedrohung vor allem durch die Achse Rabat – Tel Aviv und Marokko sieht eine Gefahr durch die offene oder teilweise verdeckte Unterstützung für die Frente Polisario durch die mutmaßliche Kooperation Algiers mit Teheran (Hisbollah). Durch die Parteinahme Madrids zu Gunsten Rabat sei aus Sicht Algiers die Bedrohungslage für das eigene Land mutmaßlich angewachsen.
„Algerien ist der Ansicht, dass Spanien seine Sicherheit bedroht, indem es seinen Beziehungen zu Marokko Vorrang einräumt“, zitiert die spanische Zeitung Eduard Soler, Forscher und Dozent sowie spezialisiert auf die arabische Welt. „Die Wahrheit ist, dass Spanien in einem Konflikt gefangen ist, den es nicht kontrollieren kann“.
Hoffnung auf direkte Gespräche zwischen Algerien und Marokko in der Schweiz.
König Abdullah II. scheint mehr Erfolg zu haben, als die Parteien, die zuvor mit Vermittlungsversuchen gescheitert waren. So habe sich weder die EU noch Frankreich, Italien, Spanien, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate erfolgreich einschalten können. Doch der jordanische König scheint Bewegung in die Positionen zu bringen, was positiv sehr verwundert, gehört doch das haschemitische Königreich zu den Ländern, die nicht nur den marokkanischen Hoheitsanspruch über die Westsahara unterstützen, sondern ein Konsulat in der Region eröffnet haben.
Im November wäre es fast zu einem Besuch des marokkanischen Königs in Algerien, beim Gipfeltreffen der arabischen Liga in Algier, gekommen, der aber praktisch in letzter Minute abgesagt wurde. Im Hintergrund scheint König Abdullah II. Italien einzubeziehen. Italien ist derzeit wichtigster europäischer Partner Algeriens sowie größter Abnehmer algerischen Gases in Europa und so hofft man in Amman auf Unterstützung aus Rom.
König Abdullah II. habe bedeutende Fortschritte erzielt. Es wird erwartet, dass die Wiedereröffnung der GME zu einem algerisch-marokkanischen Treffen in der Schweiz führen wird. „Dieses Treffen könnte auch sehr bald stattfinden“, deutet der bereits zitierte algerische Diplomat an.
Der marokkanische König hatte mehrfach in seinen öffentlichen Reden zu direkten Gesprächen zwischen beiden Ländern aufgerufen, nach Rabat eingeladen und darauf hingewiesen, dass man keine Vermittlung durch Dritte benötige, um die Probleme zwischen den „Brüderländern“ auszuräumen. Bisher sah dies Algerien anders.
Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass die Spannungen im Maghreb abgebaut werden und sich der Rüstungswettlauf, der zulasten der jeweiligen heimischen Wirtschaft und Entwicklung geht, abschwächt. Geld, oder in diesem Fall Gasverkauf, war schon immer eine gute Basis für eine Verständigung.