Präsident Tebboune empfängt Premierministerin Borne in seinem Amtssitz – zweitägige Regierungskonsultationen zwischen Frankreich und Algerien in Algier beginnen und sollen zum Aufbau einer Partnerschaft und zur Aufarbeitung der Kolonialzeit beitragen.
Algier – Die französische Premierministerin Elisabeth Borne ist zu einem mehrtägigen Besuch in der algerischen Hauptstadt Algier am gestrigen Sonntag (9. Oktober 2022) eingetroffen. An der Spitze einer größeren Delegation aus Regierungsmitgliedern, hohen Beamten und Wirtschaftsführern geht es darum, die Ankündigungen von Präsident Macron, hin zu einer besseren Verständigung und Partnerschaft zwischen der ehemaligen Kolonialmacht und Algerien einzuleiten.
Unter den Delegationsmitgliedern befinden sich der Minister für Inneres und Überseegebiete, Gérald Darmanin, die Ministerin für Europa und Auswärtige Angelegenheiten, Catherine Colonna, und der Minister für Justiz und Siegelbewahrung, Eric Dupond Moretti.
Aufbau neuer Beziehungen zwischen beiden Ländern.
Der Besuch von Regierungschefin Borne folgt rund sechs Wochen nach dem Besuch des französischen Präsidenten Macron, der das vorläufige Ende der diplomatischen Eiszeit eingeleitet hat. Bei ihrer Ankunft wurde sie von ihrem algerischen Amtskollegen Aïmene Benabderrahmane in Empfang genommen. Am heutigen Montag wurde Elisabeth Borne von Präsident Tebboune empfangen.
Nach einer Begrüßung durch eine Formation der Republikanischen Ehrengarde, hießen die französische Regierungschefin der algerische Außenminister Ramtane Lamamra, der algerische Stabschef des Präsidenten, Abdelaziz Khellaf, der Minister für Inneres, Kommunalverwaltung und Landesentwicklung, Brahim Merad, der Justizminister und Siegelbewahrer, Abderrachid Tabi, sowie der algerische Botschafter in Paris, Saïd Moussi nochmals willkommen.
Nach dem Besuch von Präsident Macron, Ende August in Algier, vereinbarten beide Länder den Aufbau einer privilegierten Partnerschaft. Algier und Paris wollen eine gemeinsame Kommission von Historikern einsetzen, die die „komplexe“ und „schmerzhafte“ Vergangenheit aufarbeiten solle.
Annäherung nach diplomatischer Krise zwischen Algier und Paris.
Im vergangenen Jahr kam es zwischen Algerien und Frankreich, nach Äußerungen von Präsident Macron zum Regime in Algier und der Geschichte des Landes, zu einer schweren diplomatischen Krise.
Algier zog für Monate seinen Botschafter aus Paris zurück und schloss den Luftraum für französische Militärflugzeuge auf den Weg in das Krisengebiet im Sahel. Nun nähern sich beide Ländern an und Frankreich versucht seine Beziehungen zur ehemaligen Kolonie, Afrikas größtem Flächenland und wichtigsten Gasexporteur, zu verbessern.
Unterstützung für die Energieproduktion angeboten.
Offiziell geht es bei den Gesprächen nicht, um Energielieferungen bzw. um Gaslieferungen an Frankreich. Gegenüber der algerischen Nachrichten-Website TSA, betonte die französische Premierministerin, dass Frankreich kein direktes Interesse an Gaslieferungen aus Algerien habe, da die eigene Energieversorgung nicht von Gas abhänge. Frankreich wolle aber im Energiesektor mit Algerien zusammenarbeiten, um gemeinsame Projekte zu entwickeln, «um die Effizienz seiner Gasproduktionskapazitäten zu erhöhen, was seine Exportkapazität nach Europa steigern wird».
Algerien will Frankreich zu einer umfassenden Zusammenarbeit gewinnen.
In einem Interview in der französischen Zeitung L’Opinion skizzierte der algerische Außenminister Ramtane Lamamra die möglichen Felder einer zukünftigen Zusammenarbeit. „Wir sind offen für alle Möglichkeiten der Partnerschaft, von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Hinblick auf eine technologische Entwicklung bis hin zu geopolitischen und energiepolitischen Aspekten“, sagte der Chef der algerischen Diplomatie. Algerien will über die bilaterale Zusammenarbeit mit Frankreich hinausgehen. „Wir teilen uns den geografischen Raum des Mittelmeers und könnten eine Zusammenarbeit aufbauen, die weit darüber hinausgehen kann, nämlich sowohl auf europäische als auch auf afrikanische Ebene bezogen, also auf unsere jeweiligen strategischen Kerngebiete“, erklärte er. Algerien ist darüber hinaus mit dem Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zufrieden, was man mehreren führenden Politikern der EU mitgeteilt habe, so Außenminister Lamamra weiter.