Algerien setzt bei der Diversifikation der eigenen Volkswirtschaft nun auch auf den Tourismus und trifft auf Konkurrenz aus Marokko und Tunesien.
Algier – Algerien will verstärkt in den Tourismus einsteigen. Dies scheint ein neues erklärtes Ziel des nordafrikanischen Landes zu sein, was sich seit einigen Jahren darum bemüht, die eigene Volkswirtschaft, die sehr von den fossilen Energieträgern Gas und Öl abhängig ist, zu diversifizieren. Der Tourismus soll neben der Landwirtschaft mögliche Nachfragerückgänge bei Öl und Gas im Rahmen der Energiewende kompensieren helfen. Zugleich ist das Land, wie alle anderen Länder in Nordafrika und in der Sahelzone, vom Klimawandel, höheren Temperaturen und in Folge dessen vom Wassermangel betroffen.
„Dank seiner enormen touristischen Ressourcen kann Algerien eine führende Tourismusindustrie aufbauen, die zum Wohlstand des Landes und zum sozialen Fortschritt seiner Bürgerinnen und Bürger beitragen kann.“ Dies erklärte der Minister für Tourismus und Handwerk, Mokhtar Didouche, laut der staatlichen Nachrichtenagentur APS am vergangenen Donnerstagabend in Algier.
Dieser Ansatz, so Minister Didouche, werde Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen. Zudem würden Strukturen bzw. Infrastrukturen entwickelt, um Touristen anzuziehen und die Attraktivität der lokalen Reiseziele zu steigern.
Welttourismustag steht unter dem Motto „Tourismus und grüne Investitionen“.
Diese Aussagen machte Tourismusminister Didouche bei einer gemeinsamen Abendveranstaltung mit Geschäftsführern und Unternehmern, auch aus dem Ausland, anlässlich des Welttourismustages am 27. September 2023.
Das diesjährige Treffen stand unter dem Motto „Tourismus und grüne Investitionen“. Der Minister wies darauf hin, dass die Indikatoren und Zahlen des Sektors seine dynamische Entwicklung bestätigen würden. Der Sektor verfüge über eine Beherbergungskapazität von 1.590 Tourismus- und Hotelbetrieben mit insgesamt 146.500 Betten.
Darüber hinaus könnten durch 750 Investitionsprojekte weitere 90.000 Betten und 45.000 direkte Arbeitsplätze geschaffen werden, so der Minister. Anlässlich des Welttourismustages betonte er die Bedeutung des Tourismus für die Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) und die wichtige Rolle des Tourismus für den soziokulturellen Fortschritt.
Der Minister unterstrich „die Notwendigkeit, den Ökotourismus zu entwickeln und gleichzeitig die Umwelt zu schützen“.
Wettbewerb mit Marokko und Tunesien.
Algeriens Bestrebungen den Tourismus im eigenen Land zu entwickeln treffen auf starke Konkurrenz auf beiden Seiten der wesentlichen Landesgrenzen, abgesehen von den übrigen Tourismusindustrien rund um das Mittelmeer, wie Portugal. Spanien, Südfrankreich, Italien, Griechenland sowie die Türkei oder Ägypten. Beide Nachbarländern Algeriens, Tunesien und Marokko, setzen seit längerem auf den Tourismus, in Ermangelung an Einnahmequellen wie Öl und Gas.
Tourismus in Tunesien.
Da ist im Osten das Nachbarland Tunesien, dass über Jahrzehnte an Erfahrungen im Tourismusbereich und Badeurlaub am Mittelmeer gesammelt hat und dessen touristische Infrastruktur bereits vorhanden ist.
Doch das Land schwächelt. Besuchten im Jahr 2019, also vor dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie, laut dem Informationsangebot Laenderinfo noch ca. 9,43 Mio. Menschen Tunesien, der seit 1995 höchster Wert, mit Einnahmen in Höhe von 2,40 Mrd. EURO, vielen die Zahlen 2020 auf ca. 2 Mio. und erholten sich 2021 nur leicht auf 2,48 Mio. Besucherinnen und Besucher. Machten die Einnahmen aus dem Tourismus im Jahr 2019 ca. 6,4% des BIP aus, so liegt der Anteil mit Einnahmen von 1,05 Mrd. EURO im Jahr 2021 nun bei 2,7% des BIP. Nach dem Ende der COVID-19 Eindämmungsmaßnahmen scheint sich der Tourismus in Tunesien zu erholen. Der tunesische Tourismusminister Mohamed El Moez Belhassine erklärte erst vor wenigen Wochen, dass bis August ca. 5,4 Mio. Menschen das Land besucht hätten. Zugleich wurden neue Strategien und Maßnahmen angekündigt, die zu einer weiteren Wiederbelebung beitragen sollen.
Tunesien – Tourismusminister erläutert Planungen zur Wiederbelebung des Sektors
Marokko strebt bis 2026 17,5 Mio. Touristen an.
Das Königreich Marokko mit seinen langen Stränden entlang des Mittelmeers und des Atlantiks sowie der in aller Welt bekannten Tourismusmetropole Marrakech setzt ebenfalls auf den Tourismus, vor allem wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen geht.
Im Jahr 2019 besuchten laut Laenderinfo 13,11 Mio. Touristen das Königreich und sorgten so für 8,89 Mrd. EURO an Einnahmen, was ca. 7,7% des BIP in dem Jahr ausgemacht hat. Das Land hat strenge und teils rigide Eindämmungsmaßnahmen während der COVID-19 Pandemie umgesetzt und war für Reisende teils für Monate gesperrt. Im Jahr 2020 konnten nur 2,8 Mio. Menschen Marokko besuchen. Im Folgejahr waren es dann schon wieder 3,72 Mio. und Einnahmen von 3,92 Mrd. EURO bzw. 3,2% des BIP.
Doch das Land scheint sich schnell wieder zu erholen, wenn es um die Besucherzahlen geht und das Nationale Amt für Tourismus ONMT meldet bereits Besucherzahlen über dem Niveau von 2019 (vor COVID-19). Für das Jahr 2026 hat man sich das Ziel gesetzt, ca. 17,5 Mio. Touristen pro Jahr ins Land zu locken und mehrere Milliarden Euro werden in den Aufbau einer modernisierten touristischen Infrastruktur investiert. Dabei setzt man nicht mehr nur auf den Zielmarkt Europa, sondern will neue Märkte in Asien und Nordamerika erschließen. Auch Russland war ein Zielmarkt vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den Sanktionen der EU und den USA. Eine erfolgreiche FIFA-WM Bewerbung für 2030, gemeinsam mit Portugal und Spanien, würde nicht nur den Bekanntheitsgrad des Königreiches steigern, sondern einen weiteren Schub für die Infrastruktur bedeuten, insbesondere was Hotelkapazitäten und das Transportwesen angeht.
Marokko – Tourismusbehörde ONMT präsentiert ehrgeizigen Plan „Light in Action”
Algerien muss sich noch entwickeln.
Der Tourismus in Algerien ist im Verhältnis zu Tunesien und vor allem im Vergleich zu Marokko wenig entwickelt. Leider liegen laut laenderinfo nur Zahlen bis 2020 vor. Doch vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie hätten danach 2,37 Mio. Menschen Algerien als Touristen besucht und hätten dabei für Einnahmen in Höhe von nur 125,06 Mio. EURO gesorgt, was einem BIP-Anteil von nur 0,082% entsprechen würde. Während des Jahres 2020 sanken die Zahlen dann auf 591.000 oder 43,78 Mio. Euro. Neuere Zahlen liegen leider nicht vor.
Alle Länder benötigen für eine erfolgreiche Strategie eine klare Positionierung. Liegt der Schwerpunkt in Tunesien auf „günstigen“ Badeurlaub am Mittelmeer mit gewissen historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten, positioniert sich Marokko, mit seiner langen Geschichte, dem romantisierten Bild des Orients vor den Toren Europas, als Erlebnisland mit Badepotential und einer abwechslungsreichen Landschaft.
Welche Position Algerien für sich finden wird, muss abgewartet werden. Zwar sprach der zuständige Minister, wie bereits erwähnt, von „enormen touristischen Ressourcen“, nannte aber die aus seiner Sicht wesentlichen Stärken nicht.