Betroffene Botschaftsmitarbeiter müssen sich vor einem Disziplinarausschuss des Außenministeriums in Rabat verantworten. Botschafterin in Kolumbien, Farida Loudaya, versucht Fall zu relativieren.
Bogotá – Der Fall der marokkanischen Diplomaten in Kolumbien, die nach lokalen Medienberichten von mutmaßlichen Escort-Frauen betäubt und anschließend ausgeraubt wurden, hat in den Medien Marokkos für große Aufmerksamkeit sowie für Spott aber auch zu Sorge geführt.
Marokkanische Diplomaten „von Escorts betäubt und beraubt“ in Bogotá. Diese Nachricht schlug am 18. August 2022 ein und führte zu einem Medienrummel vor dem Hintergrund der Reaktivierung der Anerkennung der SADR (Sahrawi Arab Democratic Republic) und der Polisario durch Kolumbien, nur wenige Tage zuvor.
Nun hat die marokkanische Botschafterin in Kolumbien, Frau Farida Loudaya, gegenüber dem Nachrichtenmagazin Telquel Details und das weitere Vorgehen erläutert.
Zwei Diplomaten waren Opfer der Ereignisse.
Es seien zwei Beamte der marokkanischen Botschaft in Kolumbien Opfer eines Diebstahls geworden und nicht drei, wie von der lokalen Presse berichtet wurde. „Im Gegensatz zu dem, was berichtet wurde, sind die jungen Frauen, die mit den Beamten zu Abend gegessen haben, keine Escort – Damen oder Prostituierten, sondern „normale“ Frauen, die sie über eine Dating-App kennengelernt haben“, erklärt Farida Loudaya, marokkanische Botschafterin in Kolumbien, gegenüber dem Nachrichtenmagazin.
Die beiden hätten sich mit den Frauen in einem Restaurant zu einem zwanglosen Abendessen verabredet. Während des Essens sollen die Diplomaten dann unter Drogen gesetzt worden sein.
Die Frauen hätten ihnen angeboten, sie nach Hause zu begleiten und besorgten ihnen ein Taxi. Die ersten Auswirkungen der Droge traten am Ende des Essens auf.
In der Wohnung eines der beiden Beamten nutzten die „Frauen“ deren Zustand aus und stahlen alles, was für sie von Wert war, aus der Wohnung, bevor sie verschwanden, so die marokkanische Botschafterin weiter.
Was den beiden marokkanischen Diplomaten im Detail gestohlen wurde, dazu sagte die marokkanische Botschafterin nichts Neues, sondern bestätigte die kolumbianischen Medienberichten.
Nach kolumbianischen Medienberichten sollen den Botschaftsmitarbeitern Laptops und Handys sowie ein Tablet gestohlen worden sein. Ob es sich um private Geräte oder um Ausstattungsgegenstände der Botschaft gehandelt hat, bleibt unklar. Sollte es sich, um Geräte der Botschaft gehandelt haben, bleibt zu klären, ob sich sensible Informationen auf ihnen befunden haben oder durch diese Geräte der Zugang zu Informationen der marokkanischen Außenpolitik möglich wird.
Botschafterin spielt Vorfall herunter – „In Kolumbien ist dies ein alltäglicher Vorfall“.
„Was man wissen muss, ist, dass solche Vorfälle in Kolumbien an der Tagesordnung sind. Diese Art von kriminellen Banden operieren vor allem zwischen Bogotá, Cartagena oder Medellín und haben es sehr auf Ausländer abgesehen. Nur in diesem Fall wussten sie nicht, dass ihre Opfer Diplomaten waren, da sie ihre Funktion nicht offengelegt hatten“, erklärte die Botschafterin gegenüber TelQuel weiter. Nachdem sie wieder zu sich gekommen waren, informierten die beiden Beamten ihre Vorgesetzten über den Vorfall, bevor sie ins Krankenhaus eingeliefert wurden. „Eine Untersuchung ist im Gange, wir haben die Behörden benachrichtigt, insbesondere die diplomatische Polizei. Die Behörden haben uns bestätigt, dass diese Art von kriminellen Handlungen immer wieder vorkommt“, fügte Botschafterin Farida Loudaya hinzu.
Außenministerium in Rabat umgehend informiert und leitet Untersuchung ein.
Auch das Außenministerium in Rabat wurde umgehend benachrichtigt, woraufhin eine interne Untersuchung eingeleitet wurde. „Sie haben einen Fehler gemacht und waren nicht wachsam. Allerdings verfolgt das Ministerium in solchen Fällen eine Null-Toleranz-Politik. Als Ergebnis der Prüfungen sind die Maßnahmen sofort ergriffen worden, der Herr Minister hat dringende Maßnahmen ergriffen, die sich in einer sofortigen Abberufung der beiden Beamten und einem Disziplinarrat widerspiegeln, die Generalinspektion des Außenministeriums verfolgt diesen Fall auf Anweisung des Ministers“, betonte die Botschafterin.
Botschafterin Loudaya habe darauf hingewiesen, dass der Fall auf lokaler Ebene keinerlei politisches Echo hervorgerufen hat und insbesondere von der Lokalpresse wie eine bloße Randnotiz behandelt wurde. Die Hauptleidtragenden dieser Affäre seien derzeit noch die beiden Diplomaten, für die Kolumbien der erste Auslandseinsatz gewesen sei.
Offene Fragen bleiben.
Die Affäre in Kolumbien mag im ersten Moment wie eine unglückliche Begebenheit dargestellt werden, doch sie hinterlässt einige offene Fragen.
Weiterhin unklar ist, was den Diplomaten gestohlen wurde und ob es Folgen für die marokkanische Diplomatie haben kann, sollten sich auf den Geräten sensible Informationen befunden haben. Darunter fallen schon alleine Kontaktdaten.
Daneben stellt sich die Frage nach den Schulungen von Botschaftspersonal bzgl. des Auftretens und Verhaltes im Ausland. Neben der grundsätzlichen Aufgabe der positiven Repräsentation des Landes durch Botschaftsmitarbeiter sind gerade vor dem Hintergrund der islam-konservativen Gesellschaftsstrukturen im Königreich solche Ereignisse auch dazu geeignet, Erpressungspotential aufzubauen. Bei dem Treffen und dem Besuch in einer der Wohnungen der Diplomaten hätten auch intime Aufnahmen und Aufzeichnungen entstehen können, die man gegen die Betroffenen hätte einsetzen können, um sie zur Mitarbeit bei der Beschaffung von Informationen zu nötigen.
Gerade in Ländern wie Kolumbien, die kürzlich eine eher ablehnende Haltung gegenüber der marokkanischen Politik zum Ausdruck gebracht haben und die mit Ländern kooperieren könnten, die Marokko nicht gerade positiv gegenüberstehen, sollte eine besondere Vorsicht und Schulung gegeben sein.
Zwar demonstriert das marokkanische Außenministerium nun im Nachhinein schnelle Reaktionsfähigkeit und will durch Abschreckung glänzen, doch eine zu strenge Vorgehensweise könnte zukünftig betroffene Diplomatinnen und Diplomaten abschrecken, sich in ähnlichen Situationen vertrauensvoll an ihre Vorgesetzten zu wenden, sondern eher dazu anregen, solche oder ähnliche Vorfälle zu verschweigen.
Machen wir und alle nichts vor. Die sog. Venus- bzw. Rome-Falle ist eine der ältesten und weiterhin erfolgreichsten Geheimdienstmethoden, um Abhängigkeiten zu schaffen und um an Informationen zu gelangen. Daher ist dieser Vorfall kein Anlass, um Sensationsgelüste zu verfolgen, sondern eine ernste Angelegenheit, der man umfassend nachgehen sollte.
Positiv bleibt, dass den Mitarbeitern nichts schlimmeres passiert ist und dass sie sich umgehend an ihre Botschaft gewendet haben.
Marokko – Außenministerium ruft in Kolumbien kompromittierte Diplomaten zurück.